Zahlen & Geschichte

Richard Ernst: Der Mann, der die NMR-Spektroskopie verbesserte

Collage: Schwarz-weiss-Fotografie von Richard Ernst, MRI-Bild eines Schädels

Richard Ernst verbesserte entscheidend die Technologie, die zur Entwicklung der Magnetresonanztomographie führte. Bilder: ETH Zürich; Helmut Januschka/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Proteinstrukturen bestimmen, Tumore untersuchen, Inhaltsstoffe nachweisen – dass diese Anwendungen der NMR-Spektroskopie möglich sind, verdanken wir nicht zuletzt einem Schweizer Nobelpreisträger.

Schweizer Chemie-Nobelpreisträger

Eine Artikelserie in Zusammenarbeit mit youngSCS, dem Netzwerk junger Chemikerinnen und Chemiker in der Schweiz.

Alfred Werner | Paul Karrer | Vladimir Prelog | Richard Ernst | Jacques Dubochet

Sicher haben einige von euch schon einmal von Magnetresonanztomographie gehört (oder, wenn ihr Pech hattet, sie selbst erlebt). Es ist eine Technik, die in der Medizin häufig zur Diagnose bestimmter Krankheiten und zur Darstellung und Untersuchung von Geweben und Organen eingesetzt wird. Die wenigsten wissen aber wahrscheinlich, dass diese Technik auch in der Chemie genutzt wird. Sie liefert Informationen über die Strukturen von einzelnen Molekülen, die ja bekanntlich zu klein sind, um sie mit blossem Auge zu sehen.

Viele Namen, eine Technik

Die Technologie, zu deren Entwicklung Richard Ernst einen grossen Beitrag geleistet hat, heisst mit vollem deutschem Namen „Kernspinresonanzspektroskopie“, die medizinische Anwendung wird als „Magnetresonanztomographie“ oder „Kernspintomographie“ bezeichnet. Oft hört man auch die Abkürzungen „NMR-Spektroskopie“ und „MRI“ vom englischen nuclear magnetic resonance imaging.

Kompliziert? In all diesen Begriffen steckt dasselbe: Man untersucht den magnetischen „Spin“ von Atomkernen, um Informationen über die Position und Umgebung der Atome zu gewinnen und daraus eine Abbildung zusammenzustellen.

Kernspins und Magnetfelder

Und wie funktioniert nun dieses Verfahren? Die Probe mit dem Molekül – oder in der Medizin: der Patient – wird im Zentrum eines starken Magneten positioniert. Das Magnetfeld beeinflusst die Atomkerne (genauer: ihren Drehimpuls oder „Spin“), so dass sich die Kerne daran ausrichten wie ein Kompass am Magnetfeld der Erde. Dann wird ein kurzer Radiowellenpuls erzeugt. Dieser stört die Atomkerne, so dass sie in einen anderen Zustand kippen. Sobald die Kerne daraufhin wieder in die bequemere Ausgangsposition zurückkehren, erzeugen sie ein Signal. Dieses Signal hängt von der Umgebung ab, in der sich die Kerne befinden. In der Medizin geben die Atomkerne von Wassermolekülen in den Organen ein Signal ab, das von den Bedingungen des umgebenden Gewebes abhängt. In der Chemie hängen diese Signale davon ab, wie die Atome im Inneren eines Moleküls miteinander verbunden sind. So ist es möglich, die Struktur des Moleküls zu bestimmen.

Der Schweizer Chemiker Richard Ernst erforschte diese komplizierte Methode bei der Firma Varian Associates in Kalifornien und entwickelte ab den 1960er Jahren entscheidende Verbesserungen für die von Varian hergestellten Spektrometer. Dadurch wurde die NMR-Spektroskopie zu einer leistungsfähigen und vielseitigen Technik, die heute in der ganzen Welt von Ärzten und Chemikerinnen verwendet wird.

Ein vielseitig interessierter Nobelpreisträger

Richard Robert Ernst wurde am 14. August 1933 in Winterthur im Kanton Zürich geboren. Seit seiner Kindheit liebte er Musik, spielte intensiv Cello und interessierte sich für Komposition. Noch als Jugendlicher wandte er sich jedoch auch der Chemie zu und beschloss, dieses Interesse weiterzuverfolgen. So schrieb er sich an der ETH Zürich ein, wo er 1957 seinen Abschluss machte. Ernst war wissbegierig und beschäftigte sich auch mit Themen ausserhalb des akademischen Lehrplans. Insbesondere begeisterte er sich für ein neu aufkommendes Forschungsfeld, die Kernspinresonanz, die das Thema seiner Promotion wurde. Nach seiner Promotion im Jahr 1962 trat Ernst in die „Varian Associates“ ein, ein amerikanisches Unternehmen, das NMR-Geräte verkaufte. Dort entwickelte er die FT-NMR (Puls-Fourier-Transformation-NMR), eine bedeutende Verbesserung der bisherigen Technik.

Ernst kehrte 1968 in die Schweiz zurück, wo er Professor wurde und eine Forschungsgruppe gründete, die sich mit der Weiterentwicklung der NMR befasste. Privat beschäftigte er sich eingehend mit asiatischer, insbesondere tibetischer Kunst. Im Jahr 1991 erhielt Ernst für seine Forschung den Nobelpreis für Chemie. Er arbeitete auch mit Kurt Wüthrich zusammen, der 2002 den Nobelpreis für Chemie für die Anwendung der NMR in der Biochemie erhielt.

Am 4. Juni 2021 starb Richard Ernst in Winterthur im Alter von 87 Jahren.

Schon gewusst?

  • Richard Ernst bezeichnete sich selbst lieber als „Werkzeugmacher“ denn als Chemiker.
  • Der Anruf des Nobelpreiskomitees, der ihn über der Verleihung des Preises informierte, erreichte Ernst während einem Flug nach New York (er wurde dafür vom Piloten ins Cockpit gebeten).
  • Ernsts Leidenschaft für Chemie begann im Alter von 13 Jahren, als er eine Kiste mit Chemikalien entdeckte, die seinem Onkel (einem Ingenieur mit Spezialgebiet Metallurgie) gehört hatte.

Text: Giacomo Morselli und Redaktion SimplyScience.ch

Erstellt: 09.09.2024
Mehr