Das klassische Bild eines Chemikers (leicht zu finden in der Google-Bildersuche) ist ein Mann in einem mehr oder minder sauberen Laborkittel, der misstrauisch einen Kolben mit einer unbekannten Substanz beäugt, die sich in der Regel durch leuchtende Farben auszeichnet. Ich jedoch war in den ersten Jahren an der Universität ziemlich enttäuscht von den Substanzen, mit denen ich im Chemiepraktikum hantierte: Sie waren immer entweder weiss oder höchstens trübe, weisslich glänzende Pulver oder Öle. Schliesslich wurden meine Erwartungen jedoch während des Kurses in Komplexchemie erfüllt!
Schweizer Chemie-Nobelpreisträger
Eine Artikelserie in Zusammenarbeit mit youngSCS, dem Netzwerk junger Chemikerinnen und Chemiker in der Schweiz.
Alfred Werner | Paul Karrer | Vladimir Prelog | Richard Ernst | Jacques Dubochet
Dort untersuchte ich spezielle Moleküle, sogenannte „Komplexverbindungen“, mit leuchtenden Farben. In diesen Komplexen ist ein Metallion, zum Beispiel Chrom, Kobalt oder Eisen, mit anderen Molekülen verbunden, die „Liganden“ genannt werden. Die Art und Weise, wie die Liganden das Metall umgeben, bestimmt die Eigenschaften – also beispielsweise die Farbe – des Komplexes.
Der Schweizer Chemiker Alfred Werner war der erste Wissenschaftler, der verstand, wie Liganden um ein Metallion herum angeordnet sind. Er identifizierte zum Beispiel als Erster die Struktur von Hexaammincobalt(III)-Chlorid. Der komplizierte Name dieser Verbindung besagt, dass das Metall Kobalt darin in einem Komplex mit sechs Ammoniakliganden vorliegt, die an den Spitzen eines Oktaeders um das Kobalt herum angeordnet sind. Daneben enthält die Verbindung Chlorid-Ionen.
Ausserdem entdeckte Werner, dass verschiedene Liganden in unterschiedlichen Positionen an das Metall binden können, wodurch Komplexe mit unterschiedlichen Eigenschaften und Farben entstehen. Dies ist der Fall bei dem oktaedrischen Tetraammin(dichloro)cobalt(III), das in zwei verschiedenen Strukturen vorkommen kann, die als „Isomere“ bezeichnet werden. Die Liganden (4 Ammoniakmoleküle und 2 Chloridionen) sind bei den beiden Isomeren unterschiedlich positioniert: Stehen die beiden Chloride in einem Winkel von 180° zueinander, hat der Komplex eine grüne Farbe. Bei einem Winkel von 90° ist er violett.
Alfred Werners Entdeckungen legten die Grundlage für die moderne Komplexchemie und brachten ihm 1913 den Nobelpreis für Chemie ein.
Alfred Werner: eine kurze Biographie
Alfred Werner wurde am 12. Dezember 1866 in Mulhouse im Elsass geboren. Er begeisterte sich für die Chemie und schrieb sich nach dem Militärdienst an der Eidgenössischen Hochschule (heute ETH) in Zürich ein, wo er 1889 sein Diplom und 1890 seinen Doktortitel erwarb. Nach einem Postdoc-Stipendium in Paris kehrte er nach Zürich zurück, wo er 1895 Professor wurde. Im Jahr 1894 erwarb er das Schweizer Bürgerrecht. Er starb am 15. November 1919, im Alter von 52 Jahren, an Arteriosklerose.
Schon gewusst?
- Alfred Werner war der erste Schweizer Wissenschaftler, der den Nobelpreis für Chemie erhielt.
- Komplexverbindungen sind im täglichen Leben von grundlegender Bedeutung: Hämoglobin, das Sauerstoff zu den Zellen transportiert, und Chlorophyll, das den Pflanzen die Photosynthese ermöglicht, sind einige von vielen Beispielen für Komplexverbindungen.
- Die Schweizerische Chemische Gesellschaft hat den „Alfred-Werner-Preis“ gestiftet, mit dem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgezeichnet werden, die an Schweizer Instituten wichtige Forschungsarbeiten in der Chemie durchführen. Der Preis besteht aus einer Bronzemedaille mit Werners Konterfei und 10’000 Schweizer Franken.
Text: Giacomo Morselli und Redaktion SimplyScience.ch
Weitere Informationen: G. Schwarzenbach. Alfred Werner and his Accomplishments. Helv. Chim. Acta 1967, 50, 38-63.
E. C., Constable; C. E. Housecroft. Coordination chemistry: the scientific legacy of Alfred Werner. Chem. Soc. Rev., 2013, 42, 1429-1439.