So bunt, wie die Welt heute ist, haben sie unsere Vorfahren vor der Erfindung synthetischer Farbstoffe nie erlebt. Kleider und Gebrauchsgegenstände in kräftigen Farben waren selten, teuer und für besondere Gelegenheiten (oder reiche Leute) reserviert. Wahrscheinlich kennst du die Geschichte des Purpurfarbstoffs, der aus Hunderttausenden von Meeresschnecken gewonnen wurde, um die Kleider besonders hochstehender Personen einzufärben. Auch in der Malerei waren besonders hochwertige, leuchtende Pigmente für kleinformatige Kunstwerke reserviert. Sie gehörten zu den Prunkstücken in den Sammlungen von Königen und Adligen.
Bilderwelt der Steinzeit
Doch schon viel früher haben die Menschen sich selbst und ihre Wohnstätten mit Farben verschönert. Die Steinzeitmenschen verwendeten dazu Kohle und farbige Erde, die sie in ihrer Umgebung fanden. Die Höhlenmalereien im südfranzösischen Lascaux sind weltberühmt! Sie sind vermutlich mehr als 20’000 Jahre alt und zeigen zahlreiche Tiere in verschiedenen Farben. Das Gestein, auf dem die Malereien ausgeführt wurden, enthält Kalk. Dieser löste sich in der Feuchtigkeit mit der Zeit auf und verfestigte sich um die Pigmente herum wieder. So wurden die Malereien über Jahrtausende hinweg aussergewöhnlich gut konserviert und können noch heute bewundert werden (die Höhle von Lascaux ist zwar nicht mehr öffentlich zugänglich, doch es wurde eine begehbare Kopie gebaut, die den Zustand der Originalhöhle genau abbildet).
Erdpigmente: Bestens geeignet zum selber Experimentieren
Die Farbe der Erde, welche die Steinzeitmenschen benutzten, stammt hauptsächlich von den darin enthaltenen Eisenoxiden (Rot- und Ockertöne) und Manganoxiden (Brauntöne). Grüne Erden enthalten meist Silikate, also Verbindungen mit Siliziumoxid. Diese Pigmente – entweder aus Naturerde gewonnen oder synthetisch hergestellt – sind wegen ihren warmen Farben heute noch beliebt. Wenn du selbst einmal ausprobieren möchtest, wie man daraus Malfarben mischt, haben wir eine Anleitung für dich!
Mineralpigmente: Meist giftig!
Auch andere Mineralfarben können direkt aus der Natur gewonnen werden. Allerdings sind bunte Mineralien und auch Edelmetalle gar nicht so einfach abzubauen. Der intensiv blaue Edelstein Lapislazuli aus den Minen im Norden Afghanistans wurde in Europa in der Renaissance zum gleichen Preis wie Gold gehandelt! Ausserdem sind (mit Ausnahme des Lapislazuli und der oben erwähnten Erdfarben) alle stark gefärbten Mineralpigmente mehr oder weniger giftig. Trotzdem wurden sie jahrhundertelang verwendet, da man auf ihre schönen Farben nicht verzichten wollte: das goldgelbe Auripigment (ein hochgiftiges Arsensulfid), die leuchtend rote Quecksilberverbindung Zinnober oder der grüne, kupferhaltige Malachit.
Farbchemie in früheren Zeiten
Man stellte jedoch auch fest, dass nicht jeder farbige (Halb-)Edelstein ein brauchbares Malpigment ergibt. Der rote Rubin oder der grüne Smaragd beispielsweise verlieren ihre Farbe und erscheinen weisslich, wenn sie fein gemahlen werden. Stattdessen kamen findige Alchemisten – die Chemiker und Materialforscher früherer Zeiten – schon in der Antike darauf, dass man sich zur Gewinnung farbiger Rohstoffe nicht allein auf die Natur verlassen muss. Der erwähnte Zinnober kann auch aus Quecksilber und Schwefel synthetisch hergestellt werden (dieses Wissen gelangte aus China über arabische Alchemisten nach Europa). Das entstehende Pigment ist zwar immer noch giftig, aber reiner als das in der Natur abgebaute. Es verhält sich daher berechenbarer: Man weiss zum Beispiel, unter welchen Bedingungen giftige Dämpfe oder Stäube entstehen und man also besonders aufpassen muss.
Mit Alchemie zu besonderen Farben
Andere Pigmente kommen in der Natur gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen vor. Die Prozesse für ihre Herstellung wurden von Menschen erfunden: Wenn Bleiplatten zusammen mit einem Gefäss Essig in einem Misthaufen gelagert werden, erhält man Bleiweiss (die warmen Temperaturen fördern die Verbindung des Metalls mit Essigdampf und Kohlendioxid zu dem weissen Bleicarbonat); auf ähnliche Weise entsteht auf Kupferplatten Grünspan (im sehr kleinen Massstab kannst du dieses Experiment selbst durchführen: Von Kupferrot zu Kupfergrün). Wird Bleiweiss wiederum auf mehrere Hundert °C erhitzt, wandelt es sich in Bleigelb und oranges Mennige um, zwei ebenfalls beliebte Pigmente.
Auch diese Farben haben jedoch denselben Nachteil wie viele natürlich vorkommende Pigmente: Sie sind giftig, zum Teil sogar sehr stark giftig. Leuchtende Farben für den Alltagsgebrauch können erst seit dem Aufkommen kontrollierter chemischer Synthesen im 19. Jahrhundert hergestellt werden. Die historischen, giftigen Pigmente werden heute nicht mehr verwendet – ausser vielleicht von Fachleuten, die alte Kunstwerke restaurieren!
Text: Redaktion SimplyScience.ch
Quelle:
Die Herstellung von Wasserfarben für Aquarell, Gouache und Buchmalerei; Klaus-Peter Schäffel, 2011