Viruzide Substanzen
Andere Viren jedoch sind widerstandsfähiger oder befinden sich auf Oberflächen, die nicht unbegrenzt mit Hitze oder Strahlung behandelt werden können – zum Beispiel auf den Händen. In diesem Fall setzt man verschiedene viruzide (das bedeutet „virustötende“) Substanzen als Desinfektionsmittel ein. Sie inaktivieren Viren auf verschiedene Weise: indem sie ihre Oberflächenproteine denaturieren (also die Struktur der Proteine zerstören), die Lipide aus einer Virushülle herauslösen oder direkt das Erbmaterial, also die DNA oder RNA des Virus angreifen. Beispiele für solche Desinfektionsmittel sind:
- Alkohol, z.B. Ethanol in 70–90%iger Konzentration (sehr breit einsetzbar, auch auf der Haut, aber nur gegen behüllte Viren wirksam)
- Wasserstoffperoxid (als 3%ige Lösung für kleine Bereiche von Haut und Schleimhaut, als 30%ige Lösung zum Sterilisieren von medizinischen Geräten oder Behältern)
- Formaldehyd (für Räume und Geräte)
Medikamente gegen Viren
Hat das Virus jedoch einen Organismus infiziert, ist es nicht mehr so leicht zu erreichen. Denn die meisten Substanzen, welche das Virus zerstören, richten auch in den Wirtszellen grossen Schaden an. Deshalb kann man bei vielen Infektionskrankheiten, die durch Viren ausgelöst werden, nur die Symptome lindern; gegen das Virus selbst gibt es oft kein Medikament. Viele Viruskrankheiten heilen allerdings von selbst wieder aus.
Antivirale Medikamente kommen bei gewissen Infektionen zum Einsatz, mit denen das Immunsystem nicht ohne Unterstützung fertigwird. Diese Medikamente sind allerdings immer nur virostatisch, sie hindern das Virus also nur an der Vermehrung, ohne es dabei zu zerstören (viruzide Substanzen, die als Arzneimittel eingenommen werden könnten, gibt es zurzeit noch nicht).
Nicht ohne Nebenwirkungen
Antivirale Medikamente können an verschiedenen Stellen in den Vermehrungszyklus des Virus eingreifen: Einige verhindern, dass das Virus an Wirtszellen andocken und in sie eindringen kann, viele blockieren auf die eine oder andere Weise die Vermehrung des Viren-Erbguts, und wieder andere verhindern den Zusammenbau und die Freisetzung der neuen Viren. Ausserdem gibt es Wirkstoffe, welche unspezifisch das Immunsystem des Wirts anregen und dadurch bei der Virenbekämpfung helfen. Die Wirkung all dieser Medikamente ist jedoch nicht allein auf die infizierten Zellen mit den Viren beschränkt, so dass sie oft mehr oder weniger starke Nebenwirkungen zeigen.
Experimente und Erfolge
Zurzeit wird mit Hochdruck an Wirkstoffen gegen die neue virale Atemwegserkrankung COVID-19 geforscht. Es kommen dafür Substanzen in Frage, die schon zuvor gegen andere Viren getestet wurden, z. B. Remdesivir. Es war beim Kampf gegen das Ebolavirus leider nicht erfolgreich und wurde noch nicht als Medikament zugelassen, zeigt im Labor aber Wirkung gegen das neue Coronavirus. Klinische Studien sind zurzeit im Gang. Weitere Kandidaten sind das HIV-Medikament Kaletra oder das gegen Hepatitis C eingesetzte Ribavirin. Auch Wirkstoffe, die eigentlich gegen andere Krankheiten entwickelt wurden, können antivirale Wirkung zeigen. Durch Computer unterstützte Screenings könnten solche Substanzen mit nützlichen „Nebenwirkungen“ in den Datenbanken aufspüren.
Ein positives Beispiel für eine erfolgreiche antivirale Therapie ist inzwischen die moderne Kombinationstherapie gegen das HI-Virus. Mit dieser Therapie können die Patienten über lange Zeit ein beinahe beschwerdefreies Leben führen, ohne dass AIDS ausbricht, obwohl das Virus nie ganz aus ihrem Körper eliminiert wird.