Taubenpost als Nachrichtendienst in Kriegszeiten
Schon seit Jahrtausenden nutzen Menschen Brieftauben, um Nachrichten zu übermitteln, indem sie am Fuss oder Rücken der Tiere einen Zettel befestigen. Die alten Römer setzten die fliegenden Boten vor allem für militärische Zwecke ein – dank der Taubenpost konnte man auf dem Schlachtfeld mit Verbündeten Nachrichten austauschen. Ausserdem konnten die Tiere ungehindert Landesgrenzen überfliegen. Darum waren Brieftauben auch in späteren Kriegen unersetzliche Kommunikationsmittel. Bis zu 100'000 Brieftauben wurden allein im ersten Weltkrieg eingesetzt! Besonders tapferen Exemplaren wurden sogar Medaillen wie die „Dickin Medal“ verliehen, die höchste britische Auszeichnung für Tiere im Kriegseinsatz. Auch die Schweizer Armee unterhielt bis 1996 einen Brieftaubendienst mit 30'000 Tauben.
Übrig bleiben Flugwettbewerbe und Hochzeitsflüge
Inzwischen haben moderne technische Kommunikationsmittel die tierischen Luftboten verdrängt. Allerdings gibt es viele Hobby-Taubenzüchter, die mit ihren Brieftauben sportliche Wettbewerbe austragen. Dabei werden die Tiere etwa 100 bis 1000 km entfernt ausgesetzt. Anschliessend wird die Zeit bis zu ihrer Ankunft zuhause gemessen. Auch das Fliegenlassen von weissen Brieftauben an Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen ist beliebt, denn die Taube gilt als Friedenssymbol.
Dank innerem Kompass und Karte geht’s auf direktem Weg nach Hause
Wieso die Taube auf dem schnellsten Weg und nicht im Zick-Zack nach Hause fliegt, hat einen nachvollziehbaren Grund: Sie möchte bei ihrem Flug so wenig Energie wie möglich verlieren. Warum Brieftauben aber einen so guten Orientierungssinn haben, kann man bis heute nicht genau erklären. Man nimmt an, dass sie in ihrem Gehirn eine Landschaftskarte erstellen und sich mit einer Art „innerem Kompass“ darauf orientieren. Wie Zugvögel benutzen sie dazu den Stand der Sonne und der Sterne. Auch nimmt man an, dass sie visuelle Landmarken (also zum Beispiel bestimmte Flüsse oder Berge) benutzen, um sich ihre „innere Karte“ anzulegen. Wie ist es aber dann möglich, dass die Brieftauben von einem Aussetzort in einem ihnen völlig fremden Gelände den Heimweg finden?
Das Erdmagnetfeld hilft! Doch wo ist der Sensor?
Brieftauben besitzen ein Zeitgefühl, deshalb erkennen sie am Sonnenstand, ob die Sonne im Westen oder Osten steht und können so die Himmelsrichtungen bestimmen. Ausserdem benutzen sie ebenso wie Zugvögel das Erdmagnetfeld zur Orientierung. Erst wenn sie wieder in der Nähe des Taubenschlags sind, benutzen sie Landmarken als Navigationshilfe.
Wo genau sich allerdings der Magnetsinn im Taubenkörper befindet, ist noch unklar. Lange wurde angenommen, dass eisenhaltige, magnetische Nervenzellen im Schnabel der Vögel als Sensor dienen. Jedoch fanden Forscher kürzlich heraus, dass diese Zellen sogenannte Fresszellen sind und der Immunabwehr dienen – und nicht wie angenommen der Navigation. Nun beginnt das Rätseln nach dem Ort des Magnetsinns dieser Pfadfinder der Lüfte von neuem.
Gerüche, Infraschall und sogar Autobahnen als Navigationshilfe
Einige Wissenschaftler vermuten ausserdem, dass Brieftauben Gerüche zur Orientierung benutzen. Auch Infraschall könnte den Tieren bei der Navigation behilflich sein. Dieser entsteht durch die Atmosphäre (Wind zum Beispiel verursacht Infraschall) und die Oberflächenspannung der Erde, sowie durch Luftdruckunterschiede. Mit ihrem sensiblen Innenohr nehmen die Brieftauben diese Infraschallwellen wahr und können sich daran orientieren. Und einige Brieftauben sollen sogar Autobahnen und Bahnstrecken folgen, um den kürzesten Weg von A nach B zu finden.
Kurz gesagt, wie genau sich Brieftauben orientieren, wird weiterhin intensiv in der Forschung untersucht. Wahrscheinlich nutzen die beeindruckenden Luftboten ein Zusammenspiel von Sonne, Sterne, Landmarken, Erdmagnetfeld, Gerüche und Infraschall um ihren Weg zu finden.