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Von der zellulären zur molekularen Ebene: Genforschung 1665–1977

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Erst die Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert ermöglichte es den Menschen, die bis dahin unsichtbare Welt der Zellen und Mikroorganismen zu entdecken. Dies war eine Grundlage für die spätere Erforschung des Erbgutes: von DNA, Chromosomen und Genen.

1665 - Entdeckung von Pflanzenzellen

Erst die Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert ermöglichte es den Menschen, die bis dahin unsichtbare Welt der Zellen und Mikroorganismen zu entdecken. Im Jahre 1665 untersuchte der Engländer Robert Hooke (1635–1703) Flaschenkorken unter einem einfachen Vergrösserungsgerät und stellte fest, dass Pflanzen aus winzig kleinen Einheiten aufgebaut sind, die in ihrer Anordnung an Bienenwaben erinnern.

1673 - Entdeckung menschlicher Zellen und Mikroorganismen

Der holländische Naturforscher, Geschäftsmann und Politiker Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) untersuchte mit Hilfe eines Mikroskops Zahnbelag, Bluttropfen, Speichel und andere Körperflüssigkeiten und entdeckte Bakterien, rote Blutzellen, einzellige Tierchen und Samenzellen.

1796 - Durchführung der ersten Schutzimpfung (gegen Pocken)

Der englische Arzt Edward Jenner (1749–1823) erkannte, dass Bauern, die einmal mit dem Kuh-Pockenvirus angesteckt wurden, vor den lebensbedrohlichen Menschen-Pocken geschützt sind. Im Jahre 1796 führte er folgendes Experiment durch: Er nahm aus einem Eiterbläschen eines Mädchens, das sich beim Melken mit dem Kuh-Pockenvirus infiziert hatte, Gewebe und übertrug dieses auf einen gesunden Knaben. Sechs Wochen später infizierte er den Jungen mit dem Menschen-Pockenvirus. Der Junge blieb gesund. Jenner führte damit erstmals erfolgreich eine Impfung am Menschen durch.

1858 - Erklärung der Entstehung von Tier- und Pflanzenarten

Tiere und Pflanzen verändern sich mit der Zeit. Es entstehen neue Arten. Im Jahre 1858 stellte der Engländer Charles Robert Darwin (1809–1882) eine Theorie auf, warum diese Entwicklung – Evolution genannt – stattfindet: Um im Kampf um Nahrung und Lebensraum überleben zu können, müssen sich Lebewesen ständig den wechselnden Umweltbedingungen anpassen. Diesen Kampf gewinnen diejenigen Lebewesen, die im Vergleich zu anderen vorteilhafte Eigenschaften besitzen (z.B. eine Blume, die mehr Samen bildet und sich dadurch besser fortpflanzen kann als andere).

1864 - Entdeckung, dass Hitze Mikroorganismen abtötet („Pasteurisieren“) und dass neues Leben nur aus bereits bestehendem Leben entstehen kann.

Der französische Chemiker und Physiker Louis Pasteur (1822–1895) zeigte 1864 als Erster, dass Mikroorganismen durch Erhitzen abgetötet werden und dass in einer derart behandelten Nährlösung keine neuen Mikroorganismen entstehen. Damit war bewiesen, dass neues Leben nicht spontan, sondern nur aus bereits bestehendem Leben hervorgehen kann. Pasteur erkannte weiter, dass Mikroorganismen für gewisse chemische Reaktionen in der Natur verantwortlich sind: Bakterien lassen z.B. Milch sauer werden, und Hefezellen verwandeln Traubensaft in Wein. Pasteur schuf einen neuen Forschungszweig: die Mikrobiologie, die Erforschung der „kleinen Lebewesen“. Die heute noch verwendete Methode des „Pasteurisierens“ 0 des Abtötens von Mikroorganismen durch Erhitzen einer Flüssigkeit (z.B. Apfelsaft, Milch) – geht auf seine Entdeckungen zurück.

1865 - Beschreibung der Gesetze, gemäss deren Merkmale von den Eltern an ihre Nachkommen vererbt werden (Mendels Vererbungstheorie)

Bei seinen Kreuzungsversuchen mit Erbsen entdeckte der Augustinermönch Johann Gregor Mendel (1822–1884) im Kloster von Brünn (im heutigen Tschechien) die Gesetze der Vererbung. Mendel beobachtete bestimmte Merkmale der Erbsen (z.B. die Blütenfarbe oder Beschaffenheit der Erbsenoberfläche) und erkannte, nach welchen Regeln diese von den Elternpflanzen an ihre Nachkommen vererbt werden. Er kam zum Schluss, dass jedes äussere Merkmal einer Pflanze einem „Element“ (heute Gen genannt) im Innern ihrer Zellen entspricht und dass es mindestens zwei Exemplare pro „Element“ geben muss. Mendel vermutete richtig, dass jeweils eines dieser „Elemente“ von der Vater- und das andere von der Mutterpflanze kommt. Seine Arbeiten waren sehr mathematisch und gerieten vielleicht auch deshalb für lange Zeit in Vergessenheit.

1871 - Entdeckung von „Nuklein“ (DNA)

Eines der Ziele des Basler Chemikers Friedrich Miescher (1844–1895) war, den Aufbau von Zellen zu studieren. 1871 gelang es ihm, in weissen Blutzellen nebst Wasser, Zucker, Proteinen (Eiweissen) und Fetten eine weitere, bis dahin unbekannte Substanz nachzuweisen. Da diese Substanz aus dem Zellkern (Nukleus) stammte, bezeichnete er sie als „Nuklein“ (heute DNA oder DNS genannt). Es dauerte aber noch Jahrzehnte, bis man herausfand, dass dieses „Nuklein“ aus aneinander gereihten Genen besteht.

1882 - Entdeckung der Chromosomen

Bereits 1878 entdeckten Wissenschafter mit Hilfe verbesserter Mikroskope bestimmte Strukturen in Zellkernen, die sich anfärben liessen. Dieses angefärbte Material wurde später „Chromosomen“ (d.h. farbige Körper) genannt. Der Deutsche Walther Flemming (184301905) war der erste Biologe, der systematisch das Verhalten von Chromosomen im Zellkern während der Zellteilung untersuchte. Flemming beobachtete, dass Chromosomen während der Zellteilung halbiert werden, die Chromosomen-Hälften dann in entgegengesetzter Richtung auseinander gezogen und auf die beiden Tochterzellen verteilt werden und die beiden Tochterzellen schliesslich eine Kopie der Chromosomen-Hälften herstellen. Damit besitzen die Tochterzellen die gleichen Chromosomen wie ihre Mutterzelle. 1882 veröffentlichte er seine Erkenntnisse, doch es dauerte knapp 20 Jahre, bis diese mit den Vererbungsregeln Mendels in Verbindung gebracht wurden.

1900 - Wiederentdeckung der Vererbungstheorie von Mendel

Der Holländer Hugo De Vries (1848–1935), der Deutsche Carl Erich Correns (1864–1933) und der Österreicher Erich von Tschermark (1871–1962) entdeckten zu Beginn des 20. Jahrhunderts unabhängig voneinander die Forschungsresultate von Mendel wieder. Die drei Wissenschafter machten ebenfalls Kreuzungsexperimente mit verschiedenen Pflanzen und kamen zum gleichen Schluss wie der Augustinermönch Jahre zuvor: Die Vererbung von Merkmalen funktioniert nach ganz bestimmten Regeln, und diese Merkmale sind irgendwo und irgendwie im Innern der Lebewesen „festgeschrieben“.

1902 - Entdeckung, dass Chromosomen immer paarweise auftreten

Der Deutsche Theodor Boveri (1862–1915) und der Amerikaner Walter Stanborough Sutton (1877–1916) entdeckten 1902, dass in einem Zellkern immer zwei der Chromosomen gleich aussehen. Beide Forscher erkannten dabei einen Zusammenhang mit der Theorie Mendels, die besagt: Bei der Vererbung werden je zwei Exemplare eines „Elementes“ (heute Gen genannt), das einem bestimmten äusserlich sichtbaren Merkmal entspricht, von den Eltern an die Nachkommen vererbt. Dabei stammt je ein „Element“ von der Mutter und das andere vom Vater.

1909 - Der Begriff „Gen“ taucht erstmals auf

Der dänische Biologe Wilhelm Johannsen (1857–1927) fand durch seine Arbeiten mit Bohnen heraus, dass die Veränderung von Lebewesen zwei verschiedene Ursachen haben kann: Sie kann erblich bedingt sein oder durch Umwelteinflüsse hervorgerufen werden. Wie Mendel kam auch er zum Schluss: Alle vererbbaren Merkmale werden von gewissen „Elementen“ im Innern der Zelle bestimmt. Johannsen gab diesen „Elementen“ im Jahre 1909 den Namen „Gene“.

1910 - Entdeckung, dass Chromosomen die Träger der Gene sind

Mehr Licht in den Zusammenhang zwischen den Strukturen im Zellkern (Chromosomen) und der Vererbung einzelner Merkmale (Gene) brachten die Untersuchungen des amerikanischen Forschers Thomas Hunt Morgan (1866–1945) mit Fruchtfliegen. Er entdeckte 1910, dass die Anzahl der Gene sehr viel höher ist, als die Anzahl der Chromosomen, und folgerte daraus: Chromosomen sind die Träger der Gene. Morgan erlangte zudem zwei weitere Erkenntnisse: Viele Gene befinden sich gemeinsam auf einem Chromosom, und Gene sind auf den einzelnen Chromosomen in geordneter Folge aneinander gereiht.

1941 - Entdeckung, dass Gene die Baupläne der Proteine sind

Bereits 1930 erkannten die beiden amerikanischen Naturwissenschafter George Wells Beadle (1909–1989) und Edward Lawrie Tatum (1909–1975): Ein Gen enthält die Information zur Herstellung eines Proteins. Oder anders gesagt: Gene sind die Baupläne der Proteine. Rund zehn Jahre später gelang ihnen der experimentelle Beweis ihrer Theorie. Beadle und Tatum konnten 1941 zeigen, dass sich durch die Veränderung eines einzigen Gens eines Schimmelpilzes eine seiner Eigenschaften verändern lässt. Die Gen-Veränderung (Mutation) hatte zur Folge, dass sich der Pilz nicht mehr richtig vermehrte.

1944 - Entdeckung, dass Gene aus DNA bestehen

Lange Zeit glaubte man, Proteine seien die chemische Substanz, aus der die Gene bestehen. Erst 1944 konnte der Kanadier Oswald Theodore Avery (1877–1955) zusammen mit seinen amerikanischen Assistenten Colin M. MacLeod und Maclyn McCarty aufgrund ihrer Experimente mit Bakterien zeigen, dass das von Friedrich Miescher entdeckte „Nuklein“ aus Desoxyribonukleinsäure (englisch deoxyribonucleic acid, DNA) besteht.

1953 - Entdeckung der räumlichen Struktur der DNA (Doppelhelix)

Seit Averys Entdeckung, dass die Gene aus DNA bestehen, suchten die Wissenschafter nach deren räumlicher Struktur. Der Amerikaner James Dewey Watson (*1928) und der Engländer Francis Harry Compton Crick (1916–2004) erzielten 1953 den Durchbruch in dieser Frage: Die vier Bausteine (Nukleotide) Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin (A, T, C, G) sind in zwei Strängen, die um ihre eigene Achse gedreht sind, aneinander gereiht. Die Querverbindung der beiden Stränge erfolgt durch die Paarung von A mit T und von G mit C. Kurz: Die DNA sieht aus wie eine Wendeltreppe. Die Wissenschafter sprachen fortan von der DNA-Doppelhelix. Erst vierzig Jahre später standen Mikroskope zur Verfügung, die den sichtbaren Beweis für das von Watson und Crick erstellte DNA-Modell lieferten.

1957 - Der Fluss genetischer Information

Zusammen mit dem Physiker George Gamov (1904–1968) erarbeitete Francis Harry Compton Crick 1957 das „zentrale Dogma“ der Molekularbiologie, das den „Fluss“ der genetischen Information in einer Zelle beschreibt: Die genetische Information „fliesst“ von einem Gen (DNA) über eine Gen-Kopie (RNA) zum Protein. Dabei bestimmt die Abfolge der Gen-Bausteine (A, C, G, T) die Abfolge der Protein-Bausteine (Aminosäuren).

1966 - Der „genetische Code“ ist geknackt

Wie ist die Information zur Herstellung eines Proteins in einem Gen gespeichert? Oder anders gefragt, wie wird die Sprache der Gene (A, C, G, T) in die Sprache der Proteine (20 verschiedene Aminosäuren) übersetzt? Die Antwort darauf fanden 1966 Marshall Warren Nirenberg (1927–2010) und Robert William Holley (1922–1993), zwei amerikanische Forscher, und Har Gobind Khorana (1922–2011), ein pakistanischer Biochemiker: Immer drei hintereinander folgende Bausteine in einem Gen bestimmen eine Aminosäure im Protein. Diesen Übersetzungsschlüssel nennt man „genetischen Code“. Er ist bei allen Lebewesen gleich. Deshalb sagt man, der „genetische Code“ sei universell.

1970 - Entdeckung der Restriktionsenzyme (DNA-„Scheren“)

Der Schweizer Mikrobiologe Werner Arber entdeckte, dass manche Bakterien fremde DNA – die z.B. von einem Virus eingeschleust wird – zerstückeln können und dass dafür bestimmte Proteine verantwortlich sind. Der amerikanische Molekularbiologe Hamilton O. Smith bestätigte Arbers Entdeckung mit eigenen Experimenten. Die so genannten Restriktionsenzyme erkennen auf der DNA eine bestimmte Abfolge der Bausteine und schneiden die DNA dort durch. Es gibt viele verschiedene Restriktionsenzyme. Jedes hat seine eigene, spezifische Schnittstelle. Die Entdeckung von „DNA-Scheren“ im Jahr 1970 legte den Grundstein für die Gentechnik.

1972 - Erste Rekombination von DNA im Labor

Der Amerikaner Paul Berg verwendete gezielt Restriktionsenzyme (DNA-Scheren) und Ligasen (DNA-Klebstoffe), um DNA-Stücke verschiedener Herkunft im Labor miteinander zu verknüpfen oder, anders gesagt, um die erste rekombinante DNA herzustellen. 1972 gelang es ihm, Virus-DNA und Bakterien-DNA miteinander zu kombinieren.

1973 - Herstellung des ersten gentechnisch veränderten Organismus

1973 stellten die beiden Amerikaner Stanley Cohen und Herbert Boyer das erste gentechnisch veränderte Bakterium im Labor her: Sie isolierten aus dem Bakterium Escherichia coli ein Plasmid, welches ein Antibiotika-Resistenz-Gen (gegen Tetracyclin) enthielt. In dieses Plasmid fügten sie ein zweites Antibiotika-Resistenz-Gen (gegen Kanamycin) ein. Dieses rekombinante Plasmid übertrugen sie dann wieder auf das Bakterium. Das derart gentechnisch veränderte Bakterium war dann resistent gegenüber beiden Antibiotika (Tetracyclin und Kanamycin).

1977 - Erfindung zweier Methoden zur Seqenzierung von DNA

Walter Gilbert (USA) und Frederick Sanger (UK) entwickeln unabhängig voneinander zwei Methoden, mit denen die Abfolge der Bausteine A, C, G und T eines DNA-Einzelstrangs herausgefunden werden kann (Sequenzierung von DNA). Die Methode Sangers wird heute noch angewendet.

Erstellt: 23.04.2018

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