Technik & Materialien

Veganes Leder dank Pilzen und Bakterien

Braune Ledertasche, Close-up von Rand und Schnalle

Leder aus Tierhäuten ist ein uralter Werkstoff, der heute noch für seine Qualitäten geschätzt wird. Bild: stock.adobe.com - olgaarkhipenko

Leder ist ein uralter Werkstoff, der seit Tausenden von Jahren für Schuhe, Gürtel, Taschen und viele andere Gebrauchsgegenstände wie Sättel und Riemen verwendet wird. Als Alternativen zu Leder werden heutzutage auch Kunstleder oder Textilien aus Pflanzenfasern eingesetzt. Mit Hilfe von Biotechnologie könnten diese Materialien in Zukunft weiterentwickelt werden, so dass sie neue Eigenschaften erhalten und umweltfreundlicher hergestellt und verarbeitet werden können.

Close-up der Hände eines Schuhmachers, der Leder über einen Leisten spannt

Das Handwerk der Lederverarbeitung ist Tausende von Jahren alt. Bild: Dusko - stock.adobe.com

Leder hat als Material viele Vorteile: Es ist biegsam, widerstandsfähig und enorm langlebig, und je nach Dicke und Verarbeitung lassen sich daraus weiche Kleidungsstücke oder strapazierfähige Sohlen und Sitzpolster herstellen. In den letzten 150 Jahren wurden aber auch Alternativen zu Leder entwickelt, die nicht aus Tierhäuten hergestellt werden. Dazu gehören verschiedene Arten von Kunstleder aus fossilen Rohstoffen. Sie sind zwar billiger, aber auch weniger haltbar: Kaum ein Kunstleder sieht nach 10 Jahren noch schön aus, es wird brüchig und spröde; echtes Leder hingegen verfärbt sich zwar mit dem Alter und bekommt eine „Patina“, doch wenn es gut gepflegt wurde, kann es Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte überdauern. Gegenstände aus Leder haben sich im Boden sogar über mehr als 2000 Jahre erhalten, wie bei Ausgrabungen immer wieder festgestellt wird!

Das angestrebte Ideal: vegan, biologisch und nachhaltig

Weisses "Leder", Nahaufnahme

Piñatex: ein Leder-Ersatz, der hauptsächlich aus Ananasfasern besteht. Bild: Wikimedia Commons/Piñatex, CC BY-SA 4.0

Kunstleder hat den Nachteil, dass es aus Erdölprodukten hergestellt wird. Es ist also im Wesentlichen eine Form von „Plastik“. Deshalb werden seit einigen Jahren neue vegane Materialien entwickelt, die Leder sehr ähnlich sind und nicht (oder nicht vollständig) aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden. Es gibt beispielsweise ein Material mit dem Markennamen „Mirum“, das vollständig aus pflanzlichen Stoffen wie Naturkautschuk und pflanzlichen Ölen hergestellt wird. Andere Materialien werden als Ananasleder, Apfelleder, Kaktusleder oder Weinleder bezeichnet. Sie bestehen hauptsächlich aus den Fasern der betreffenden Pflanzen, die aber mit Kunststoff gemischt oder von einer dünnen Schicht Polyurethan (PU) zusammengehalten werden. Solche Materialien sind also nicht vollständig biologisch abbaubar.

Pilze und Bakterien als Helfer

Leder-Proben, ein paar Boots, Pilze

Überschüssige Austernpilze, die sich nicht zum Verkauf als Lebensmittel eignen, können zu Pilzleder verarbeitet werden. Bild: perfectlab - stock.adobe.com

Nicht nur Pflanzen produzieren Rohstoffe, die sich für die Herstellung von lederartigen Textilien eignen. Austernpilze beispielsweise werden in grossen Mengen für den Verzehr gezüchtet, und nicht alle Exemplare genügen den hohen Ansprüchen der Lebensmittelindustrie. Diese überschüssigen Pilze sind der Ausgangsstoff für sogenanntes „Pilzleder“.

Auch einige Bakterien produzieren Zellulose. Diese kann – genau wie die Zellulose der Austernpilze – zu einer vielversprechenden Lederalternative verarbeitet werden, die sogar biologisch abbaubar ist. Dazu werden Bakterien der Gattung Komagataeibacter in einer flüssigen Nährlösung gezüchtet, wo sie sich rasch vermehren und Zellulosefasern absondern. Diese schwimmen an der Oberfläche der Flüssigkeit auf und können für die Weiterverarbeitung abgeschöpft werden. Praktisch ist, dass für die Zucht der Bakterien landwirtschaftliche Neben- und Abfallprodukte verwendet werden können: verdorbener Fruchtsaft, Glycerol oder Molasse.

Mehr als nur Beige …

Blatt mit teilweise kolorierten Skizzen von Taschen, Hand mit Lederstück

Es wird noch eine Weile dauern, bis ein Designer alle gewünschten Lederfarben aus umweltfreundlicher Produktion beziehen kann, aber die Forschung arbeitet darauf hin. Bild: Chaosamran_Studio - stock.adobe.com

Allerdings sind alle Leder-Varianten aus pflanzlicher, pilzlicher oder von Bakterien hergestellter Zellulose natürlicherweise beige. Für alle anderen Farben müssen sie nach der Produktion eingefärbt werden. Das ist nicht in jedem Fall so nachhaltig und umweltfreundlich, wie man es sich wünschen würde: Genau wie bei Leder aus Tierhäuten braucht man für den Färbeprozess sehr viel Wasser, nicht alle Farben sind ungiftig, und alles Abwasser muss deshalb aufwendig geklärt werden, bevor es wieder in die Umwelt gelangt, um Gewässerverschmutzung zu vermeiden. Gerade schwarze Farbe ist zwar sehr beliebt, aber gleichzeitig auch sehr schwierig auf nachhaltige Weise zu färben.

… dank integrierter Produktion von Pigmenten

Dies hat ein Forscherteam auf die Idee gebracht, das Bakterium Komagataeibacter rhaeticus gentechnisch zu verändern, so dass es Melanin produziert. Melanin ist der natürliche dunkle Farbstoff, der für die Braun- und Schwarztöne von Haut und Haaren verantwortlich ist. Und tatsächlich: Wenn man den Bakterien einen Ausgangsstoff für Melanin in die Nährlösung gibt und die Wachstumsbedingungen optimal anpasst, produzieren die Bakterien den schwarzen Farbstoff und lagern ihn in die Zellulose ein. Je nachdem, wie viel von dem Ausgangsstoff in die Flüssigkeit gegeben wird, erhält die Zellulose eine hellere oder eine intensivere Farbe.

Auch nach der Sterilisierung, bei der vor der Weiterverarbeitung alle Bakterien abgetötet werden, bleibt die Farbe stabil. Aus diesem schwarz gefärbten „Bakterienleder“ wurden bereits Prototypen für die Modeindustrie gefertigt, zum Beispiel ein Portemonnaie. So wurde gezeigt, dass bakterielle Zellulose das Potenzial haben könnte, zu einem Material der Zukunft zu werden: ein veganer Ersatz für Leder, der bereits in Schwarz oder verschiedenen Brauntönen produziert werden kann, ohne dass er in einem zweiten Schritt aufwendig eingefärbt werden muss.

Text: Redaktion SimplyScience.ch
Quelle: Walker, K.T., Li, I.S., Keane, J. et al. Self-pigmenting textiles grown from cellulose-producing bacteria with engineered tyrosinase expression. Nat Biotechnol (2024). https://doi.org/10.1038/s41587-024-02194-3

Erstellt: 23.09.2024
Mehr