Energie & Kommunikation

Strom aus dem Atom

Modell eines Atoms

Modell eines Atoms: Ein Kern aus Neutronen und Protonen ist von Elektronen umgeben. Bild: MrJafari/Shutterstock.com

Über die Nutzung der Kern- oder Atomkraft zur Energiegewinnung wird viel diskutiert. In der Schweiz decken Kernkraftwerke heute noch 40% unseres Energiebedarfs, und es ist zurzeit nicht klar, welche anderen – möglichst umweltfreundlichen – Energiequellen die Kernkraft vollständig ersetzen könnten. In diesem Artikel gehen wir nicht auf Argumente für und gegen Kernkraft, sondern auf den technischen Hintergrund der Kernspaltung ein: Weisst du eigentlich, wie ein Atomreaktor Energie produziert?

Es gibt ganz unterschiedliche Typen von Kraftwerken zur Energiegewinnung. Strom kann durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern in Kohle- oder Gaskraftwerken erzeugt werden, aber auch unter Ausnützung von erneuerbaren Energien in Solar- und Wasserkraftwerken.
Atomkraftwerke nutzen zur Energiegewinnung radioaktive Elemente wie das Uran. Radioaktive Elemente zerfallen spontan und senden dabei energiereiche Strahlung aus. Allerdings dauert es über 700 Millionen Jahre, bis von 1 kg Uran235 die Hälfte zerfallen ist. Um die Unmenge an atomarer Bindungsenergie – also die Energie, welche den Atomkern zusammen hält – zu nutzen, muss man das Uran zum Zerfall zwingen.

Nicht alle Uran-Atome können dazu verwendet werden. Uran238 ist das häufigste Isotop, 99.7% aller Uranatome bestehen aus diesem Isotop. Für die meisten Kernreaktoren eignet sich Uran235, aber es macht nur 0.7% des Urans aus. Deshalb muss man nach dem Abbau des Uranerzes zunächst das Uran235 angereichern, bevor es für den Atomreaktor verwendet werden kann.

Die Kernspaltung des Urans in einem Kernreaktor

Die Kernspaltung des Urans in einem Kernreaktor. Bild: Wondigoma, Stefan-Xp/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Atomare Kettenreaktion

Dazu wird das Uran235 mit winzigen Teilchen, den Neutronen, beschossen. Trifft ein Neutron auf den Kern eines Uranatoms, entstehen zwei neue chemische Elemente, sowie zwei neue Neutronen und eine grosse Menge Energie (siehe Bild). Im Vergleich dazu ist die chemische Energie, die in der gleichen Masseneinheit Kohle steckt, um ein Vielfaches geringer. Die zwei neu entstandenen Neutronen können wieder weitere Uranatome „zerschiessen“. Auf diese Weise wird eine Kettenreaktion ausgelöst, bei der immer mehr Uranatome zerfallen.

Im nuklearen Teil eines Kernkraftwerks wird also durch Kernspaltung Wärme erzeugt. Der zweite Teil eines Kernkraftwerks unterscheidet sich wenig von jenem eines anderen Kraftwerks, z. B. eines Gaskraftwerks: Die Wärme wird zum Erhitzen von Wasser verwendet, das Wasser verdampft, und mit dem Dampf werden Turbinen angetrieben, die wiederum Strom erzeugen. Hier wird also Wärme in elektrischen Strom umgewandelt.

Alle Kernkraftwerke in der Schweiz arbeiten mit sogenannten Leichtwasserreaktoren. In diesen hat das Wasser noch eine zweite Funktion: Es bremst die Neutronen ab und hält sie damit im richtigen Geschwindigkeitsbereich, so dass die Kettenreaktion kontrolliert weiterlaufen kann (fehlt das Wasser, hört die Kettenreaktion auf).

Es gibt zwei Typen von Leichtwasserreaktoren, die du auf einem virtuellen Rundgang online genauer anschauen kannst: den Siedewasserreaktor und den Druckwasserreaktor.

Mehr über die Produktion und Verwendung von Uran findest du im Faktenblatt „Uran“ des Nuklearforums Schweiz.

Aufwendige Technologie

Eine weitere Einrichtung zur Kontrolle der Spaltungsreaktion (wie auch zum An- und Abschalten des Reaktors) sind die Steuerstäbe. Sie bestehen aus einem Material, das freie Neutronen absorbiert. Zwischen die Brennelemente geschoben, fangen sie die Neutronen ab und verhindern, dass weitere Uranatome zerstört werden. Doch auch wenn ein Atomreaktor mit Hilfe der Steuerstäbe „abgeschaltet“ worden ist, produzieren die Brennelemente noch während langer Zeit gewaltige Mengen an Restwärme. Sie müssen also weiterhin ständig gekühlt werden, um zu verhindern, dass es zu einer sogenannten Kernschmelze kommt. Dabei würden die Brennelemente und Steuerstäbe bei gewaltigen Temperaturen sozusagen zu einem Klumpen zusammenschmelzen, in dem unkontrollierte atomare Kettenreaktionen wieder von Neuem beginnen könnten.

Solche Unfälle sind sehr selten, gehören aber zu den Risiken der Kernenergiegewinnung. Zuletzt war dies im März 2011 nach dem Erdbeben und Tsunami in Japan der Fall. Zwar wurden die Reaktoren von Fukushima sofort abgeschaltet, doch die Kühlsysteme waren für eine solche Naturkatastrophe nicht ausgelegt und fielen aus. Die Kernschmelze in den Reaktoren hatte verheerende Folgen, da sie zu Explosionen führte und grosse Mengen radioaktiver Strahlung in die Umwelt freigesetzt wurden.

Bei der Spaltung des Urans entstehen radioaktive Abfallprodukte, aber auch neue radioaktive Elemente, die weiter verwendet werden könnten. Manche der Uran238-Atome nehmen nämlich ein Neutron auf und zerfallen dann zu Plutonium. Auch Plutonium eignet sich als Brennstoff in einem Atomkraftwerk. Die Aufreinigung des Plutoniums und des unverbrannten Urans ist aber sehr kostspielig. Deshalb werden die radioaktiven Reste der Brennelemente meist nur gelagert und nicht wieder aufbereitet. Dies bedeutet allerdings, dass ein sehr sicherer Lagerort geschaffen werden muss, da die Brennelemente noch Zehntausende von Jahren Strahlung abgeben.

Erstellt: 21.08.2020
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