Auf den ersten Blick sieht das Gebäck auf dem Tablett wie ein normaler knuspriger Getreideriegel aus. Doch was Meinrad Koch und Stefan Klettenhammer ihren Probanden zum Verkosten vorlegen, ist keine gewöhnliche Zwischenverpflegung für Sportler. Ihre Riegel enthalten nämlich Proteine, welche die beiden Studierenden der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil aus Mehlwürmern gewonnen haben.
Steigender Bedarf an Proteinen
"Weltweit steigt der Bedarf nach proteinhaltigen Lebensmitteln", erklärt Klettenhammer. "Insekten eigenen sich als zusätzliche Proteinquelle sehr gut, weil sie viele hochwertige Eiweisse enthalten." Ein grosser Vorteil wäre vor allem, dass die Züchtung von Insekten die Umwelt weniger stark belasten würde als die herkömmliche Tierhaltung. "Man könnte Mehlwürmern beispielsweise Überreste von Zuckerrüben oder altes Brot verfüttern, anstatt diese Abfälle zu Biogas zu verwerten." In Afrika oder Asien haben Insekten seit langem ihren Platz auf dem Speisezettel. Nicht so in Europa: Hier werden frittierte Mehlwürmer oder geröstete Heuschrecken höchstens als kulinarische Kuriosität wahrgenommen, nicht aber als ernsthafte Alternative zu Hackfleisch oder Schnitzel. Zu sehr ekeln sich die meisten Menschen in der westlichen Welt vor diesen kleinen Tieren.
Koch und Klettenhammer suchten deshalb nach einem Weg, wie man den europäischen Konsumentinnen und Konsumenten Insektenproteine schmackhaft machen könnte. Sie wählten dazu einen zweistufigen Weg: In einem ersten Schritt entwickelte Klettenhammer ein Verfahren, mit dem man die Proteine aus den Mehlwürmern separieren kann. Mit seinem Ansatz ist es möglich, die Eiweisse von Fett und Chitin, den beiden anderen Hauptbestandteilen der Insekten, zu trennen. "Die Aufgabe erwies sich als aufwändiger, als ich zunächst dachte", berichtet Klettenhammer. "Ich brauchte unzählige Versuche, bis ich die optimale Vorgehensweise herausgefunden hatte." Mit dem Verfahren können nun 95 Prozent der Proteine, die im Mehlwurm drin sind, in Lösung gebracht werden.
Keine störende Geschmacksnote
In einem zweiten Schritt ging es danach darum, das Insektenprotein in ein konkretes Produkt zu "verpacken". Meinrad Koch entwickelte in seiner Arbeit eine ausgeklügelte Rezeptur für einen Riegel, der neben Getreide und Milchprotein eben auch Insektenproteine enthält. Eine grosse Herausforderung war vor allem eine Mischung zu finden, bei welcher der Riegel nicht nur optisch, sondern auch sensorisch überzeugte.
Und wie ist die Akzeptanz beim Publikum? Koch führte dazu eine Umfrage unter 300 Teilnehmenden durch. "Das ist zwar noch nicht repräsentativ, gibt aber immerhin doch erste Rückschlüsse, ob eine solches Produkt angenommen würde", meint Klettenhammer. Die Ergebnisse sind positiv: Vier von fünf Befragten waren bereit, einen solchen Riegel zu probieren. "Bemerkenswert ist, dass Vegetarier unseren Riegel mehrheitlich nicht als Fleischprodukt wahrnehmen und deshalb auch bereit sind, ihn zu essen." Die Chancen, dass sich Produkte mit Insektenproteinen auf dem Markt durchsetzen könnten, scheinen also nicht schlecht zu stehen. "Wir sind denn auch bereits im Gespräch mit Partnern aus der Lebensmittelindustrie", verrät Klettenhammer.