Keine Maschinen ohne Stahl, kein Stahl ohne Koks: Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert verlangte grosse Mengen von diesem Brennstoff, der in den Hochöfen für die Eisenverhüttung tonnenweise als Reduktionsmittel benötigt wurde. Hergestellt wurde Koks aus Steinkohle, und als Nebenprodukt fiel dabei eine schwarze, klebrige Masse an, der sogenannte Steinkohlenteer.
Für die Stahlindustrie war Steinkohlenteer nicht von Nutzen, doch Chemiker interessierten sich für das Gemisch aus Tausenden von verschiedenen Kohlenwasserstoffen, darunter viele aromatische Moleküle. Aromatische Moleküle sind aus Ringen aufgebaut, in denen die Atome durch eine besondere Art von Bindung zusammengehalten werden, und viele von ihnen haben einen charakteristischen Geruch – daher der Name. Es war bekannt, dass sich aus Aromaten wichtige chemische Substanzen herstellen lassen. Doch die Entdeckung eines jungen Chemiestudenten namens William Perkin führte zu einer Entwicklung, die so niemand vorausgesehen hatte.
Der Grundstein für die chemische Industrie
William Perkin war 1856 Student am Royal College of Chemistry in London und suchte nach Wegen zur Synthese von Chinin, das als Malariamedikament gefragt war. Er arbeitete dazu mit Anilin und anderen Verbindungen aus Steinkohlenteer. Die Chinin-Herstellung gelang Perkin zwar nicht; stattdessen resultierte eines seiner Experimente in einem schwarz-violetten Pulver, das sich in Alkohol auflösen liess. Mit der Flüssigkeit konnte er Stoff intensiv violett einfärben. Perkin erkannte rasch das Potential dieses Farbstoffes: Purpur war jahrhundertelang einer der teuersten Farbstoffe der Welt gewesen, gewonnen aus dem Drüsensekret von Purpurschnecken – und nun hatte er eine Methode gefunden, diesen Farbton chemisch herzustellen!