Die weltmeisterliche Fähigkeit von Bärtierchen, in Extrembedingungen zu überleben, beruht auf mehreren Faktoren. Einer davon ist die sogenannte Zellkonstanz vieler Bärtierchen: Das bedeutet, das sich ihre Zellen nach der embryonalen Entwicklung überhaupt nicht mehr teilen. Das ausgewachsene Tier besteht also aus einer vorherbestimmten Anzahl Zellen, die sich im Lauf des Lebens auf natürliche Weise nicht mehr verändert. Dies hat den Nachteil, dass die Regenerationsfähigkeit des Tiers stark eingeschränkt ist, denn es kann ja keinen Nachschub an gesunden Zellen produzieren.
Doch die Zellteilung ist auch ein energieraubender und fehleranfälliger Prozess. Sich teilende Zellen sind sehr anfällig gegenüber Strahlung (was man sich beispielsweise bei der Strahlentherapie von Krebs zunutze macht). Bärtierchen jedoch, deren Zellen sich nicht teilen, sind Strahlen gegenüber äusserst resistent.
„Tot stellen“ als Überlebensprinzip
Zum Schutz gegen widrige Umweltbedingungen können Bärtierchen in eine sogenannte Kryptobiose übergehen (von griechisch kryptos = verborgen und bios = Leben). Unter Kryptobiose versteht man einen Zustand, in dem das Leben sich sozusagen „im Verborgenen abspielt“: Es findet so gut wie kein Stoffwechsel statt. Es gibt mehrere Formen der Kryptobiose, je nachdem, durch welche Extrembedingungen sie ausgelöst werden.
Niedrige Temperaturen
Bei tiefen Umgebungstemperaturen funktionieren viele Enzyme im Organismus nicht mehr. Ausserdem müssen die empfindlichen Membranen und anderen Strukturen in den Zellen vor Eiskristallen geschützt werden. Deshalb produziert der Organismus „Kälteschutz-Stoffe“ wie zum Beispiel Trehalose, ein Zuckermolekül. Den Dauerzustand von Bärtierchen bei tiefen Temperaturen nennt man Kryobiose.
Trockenheit
Grosse Trockenheit überstehen die Bärtierchen dank Anpassungsstrategien, die man als Anhydrobiose bezeichnet. Dabei bilden sie sogenannte „Tönnchen“, indem sie ihre Beinchen einziehen und dadurch ihre Oberfläche stark verkleinern. Fettstoffe verteilen sich über die Aussenhaut (Cuticula) des Bärtierchens und machen sie wasserundurchlässig, so dass keine Flüssigkeit mehr aus dem Körper verdunstet. Innerhalb des Körpers muss das Bärtierchen den fatalen Effekten des Wassermangels vorbeugen: Viele Proteine sind nämlich auf Wasser angewiesen, um ihre Form zu behalten, und ohne eine schützende Hülle aus Wassermolekülen könnten unkontrollierte Reaktionen zwischen den Proteinen stattfinden. Die Antwort der Bärtierchen darauf heisst wiederum Trehalose: Mit diesem Zuckermolekül ersetzen sie bei Austrocknung das Wasser.
Im komplett ausgetrockneten Stadium ist der Stoffwechsel der Bärtierchen vollständig angehalten. Sobald die Umweltbedingungen jedoch wieder lebensfreundlicher sind und Wasser vorhanden ist, erholen sich die Bärtierchen innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden, ersetzen die Trehalose wieder durch Wasser, und der normale Stoffwechsel setzt wieder ein.
Salzschock und Sauerstoffmangel
Einige Arten von Bärtierchen kommen in Lebensräumen vor, in denen starke Schwankungen des Salzgehalts auftreten (z. B. in der Gezeitenzone), oder in denen der Sauerstoffgehalt zeitweise sehr niedrig ist. Diese Bärtierchen haben erstaunliche Anpassungen und Formen von Osmobiose und Anoxybiose entwickelt, also die Fähigkeit, ungünstige Salzkonzentrationen bzw. Sauerstoffmangel zu überstehen.
Fremdgene: Ein weiterer Rekord für die Bärtierchen
Neue Studien von Forschern aus North Carolina haben im Erbgut der Bärtierchen eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Fast jedes sechste Gen – und damit insgesamt über 6000 Gene – stammen ursprünglich von anderen Lebewesen wie Bakterien, Pilzen oder Pflanzen. Bei keinem anderen Tier ist die Menge an Fremd-DNA so hoch wie bei den Bärtierchen! Die Eigenschaft, Fremdgene ins eigene Erbgut einzubauen, soll laut den Forschern direkt zur extremen Widerstandsfähigkeit der Bärtierchen beitragen. Es wird vermutet, dass bei der Bildung der beschriebenen Resistenzstadien die Fähigkeit zum Austausch von Erbmaterial zwischen verschiedenen Arten stark zunimmt. So konnten sich möglicherweise über viele Jahrtausende nützlich Eigenschaften in das Genom des Bärtierchens einschleichen.