Die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen oder Pflanzenzellen zur Produktion von Arzneistoffen wird als „Pharming“ bezeichnet. Die Namensgebung dieses Verfahrens beruht auf einer Wortkreuzung zwischen pharmaceutical engineering (pharmazeutische Entwicklung) und farming (Landwirtschaft).
Klassischerweise produziert die Pharmaindustrie Wirkstoffe in tierischen Zellen oder Bakterien. Pharming bietet die Möglichkeit, Biopharmazeutika auch in Pflanzen herzustellen.
Herstellung von Wirkstoffen im Labor
Prinzipiell ist es möglich, Stoffe, die in der Natur vorkommen, als Vorbild zu nehmen und die Moleküle im Labor nachzubauen oder zu synthetisieren (Synthese). Allerdings handelt es sich bei pflanzlichen Wirkstoffen meistens um Moleküle, die eine ganz bestimmte dreidimensionale Struktur besitzen. Erst dank dieser Struktur kann ein Molekül seine biologische Funktion erfüllen. Die chemische Synthese von solch komplexen Molekülen ist meist sehr aufwändig und teuer oder kann gar nicht durchgeführt werden. Um dieses Problem zu umgehen, werden Bakterien und tierische oder pflanzliche Zellen genutzt, um Wirkstoffe zu produzieren. Solche Zellen besitzen nämlich alles, was es braucht, um biologische Wirkstoffe korrekt herzustellen.
Beim Pharming mit Pflanzenzellen fügt man die genetische Information (DNA) für einen bestimmten Wirkstoff in die Zellen ein. Diese Zellen lässt man in einem Photobioreaktor (einem Bioreaktor für lichtabhängige Organismen) wachsen, in welchem sie den gewünschten Wirkstoff produzieren. Dieser wird später aus den Pflanzenzellen isoliert und gereinigt.
Pharming in der klassischen Landwirtschaft und im Gewächshaus
Die Landwirtschaft kann mit ihren grossflächigen Anbauflächen dazu genutzt werden, genetisch veränderte Arzneipflanzen zu züchten und so die Nachfrage nach pflanzlichen Wirkstoffen zu stillen. Allerdings kann diese Art der Landwirtschaft Ökosysteme beeinträchtigen. Ausserdem ist sie Witterungseinflüssen und Temperaturschwankungen ausgesetzt. Diese Faktoren können zu ungleichmässigen Ernteerträgen führen und bergen das Risiko, dass die Pharmaindustrie die Bereitstellung von lebenswichtigen Medikamenten nicht kontinuierlich gewährleisten kann.
Alternativ zur klassischen Landwirtschaft werden genetisch veränderte Pflanzen in vollautomatischen Gewächshäusern gezüchtet. In solchen Zuchtanlagen kann die Temperatur, Lichtintensität, Lichtdauer und Nährstoffzufuhr geregelt werden und dadurch der Ertrag erhöht werden. Die Zucht im Gewächshaus gewährleistet, dass sich die veränderten Organismen in einem streng kontrollierten Raum befinden und somit eine potentielle Gefahr für die Natur und das Ökosystem minimiert wird. Auf der anderen Seite ist der Bau und Betrieb von Gewächshausanlagen aber auch sehr teuer und aufwändig.
Im Vergleich zur klassischen Landwirtschaft und Gewächshäusern hat das Pharming in Bioreaktoren zwei grosse Vorteile: Auf einer kleinen Flächen kann viel Wirkstoff produziert werden und die Produktion ist kostengünstiger. Auch wenn die Methode des Pharmings in Bioreaktoren noch relativ unbekannt ist, konnte bereits gezeigt werden, dass die Technik für bestimmte Wirkstoffe effizienter sein könnte als traditionelle biotechnologische Verfahren.
Pharming wurde erfolgreich getestet
Der Prozess der Pharmings wurde bereits erfolgreich bei der Produktion von Indolalkaloiden eingesetzt. Indolalkaloide sind eine Gruppe von Stoffen, welche in Pilzen und Pflanzen produziert und als Wirkstoff verwendet werden. Sie bilden die Grundlage verschiedenster Medikamente, welche zum Beispiel gegen Malaria, Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden.
Medizin im Karottensaft?
Ebenfalls eine Erfolgsgeschichte des Pharmings könnte die Herstellung eines Medikaments in Karottensaft werden. Die Herstellung dieses medizinischen Karottensafts funktioniert genauso wie mit anderen pflanzlichen Zellen: Man nimmt Zellen aus der Karotte und gibt ihnen die genetische Information, einen Wirkstoff zu produzieren. Vorteil dieser bisher einmaligen Methode ist jedoch, dass der Wirkstoff nicht mehr aus den Zellen isoliert werden muss, sondern direkt als Karottensaft getrunken werden kann. Ausserdem werden die Karottenzellen nicht in Photobioreaktoren gezüchtet, sondern in Plastikbeuteln, was gemäss dem Hersteller sehr praktisch und kostengünstig ist. Dieses Medikament im Karottensaft wird jedoch gerade erst in frühen klinischen Studien getestet. Es wirkt übrigens gegen eine seltene Erbkrankheit namens Gaucherkrankheit, bei welcher eine Störung des Fettstoffwechsels vorliegt.
Weitere Information und Quellen (auf Englisch):
- Broschüre des europäischen SmartCell Project, 2013, über die Erforschung und biotechnologische Produktion von Indolalkaloiden und verwandten Stoffen
- Wirkungsweise von medizinischem Karottensaft (Präsentation des Herstellers Protalix)
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