Erde & Umwelt

Pilze – von unscheinbar bis gruselig

Pilz mit weissen, runden Fruchtkörpern, aus denen rötliche "Tentakel" wachsen

Der „Tintenfischpilz“ trägt seinen Namen zu Recht! Bild: Oilys/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Eine Vielzahl von Lebewesen in unserer Umwelt bleibt uns normalerweise verborgen – nicht, weil sie versteckt sind, sondern weil wir nicht genau hinschauen! Doch das Hinschauen ist eine Fähigkeit, die man lernen kann. In diesem Artikel schreibt die Pilzspezialistin Ursula Oggenfuss darüber, welche Entdeckungen sich mit etwas Aufmerksamkeit im Wald machen lassen.

Eine Gruppe von Lebewesen, die sich unserem Blick oft entziehen, sind die Pilze. Pilze sind weder Tier noch Pflanze, sie bilden ihr eigenes biologisches Reich. Sie sind faszinierend, und es ist noch viel zu wenig über sie bekannt – in der Forschung, aber auch in der Gesellschaft.

Die Lebensweise von Pilzen ist extrem vielfältig: Im Wald gibt es einerseits Pflanzen-Pathogene, die Bäume innert kurzer Zeit töten können, aber auch Symbionten, die Pflanzen beim Wachsen unterstützen, und zahlreiche wichtige Abbauorganismen. Pilze sind überall, aber oft sind sie zu klein, um sie ohne Mikroskop zu erkennen. Manche wachsen auch versteckt in der Erde oder in Baumstämmen. Für gewöhnlich sieht man von Pilzen nur die Fruchtkörper. Diese sind zwar manchmal auffällig gefärbt, können aber auch leicht übersehen werden. Es braucht also etwas Fokus, um Pilze zu sehen! Geht man jedoch mit offenen Augen durch den Wald, entdeckt man fast bei jedem Schritt einen neuen Schatz.

Das Bindeglied im Nährstoffkreislauf

Unterschiedlich reife Schopftintlinge im Gras, vervollständigt mit Fotos von weiteren Entwicklungsstadien

Entwicklung eines Schopftintlings. Nur während sehr kurzer Zeit ist der junge Fruchtkörper weiss und ein guter Speisepilz, danach wird er tintig und zerfällt. Bild: Wilhelm Zimmerling PAR/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Bisher wurden über 150’000 Pilzarten wissenschaftlich beschrieben. Man schätzt jedoch, dass die tatsächliche Anzahl Pilzarten bei über drei Millionen liegt! Die Wissenschaft steht vor der grossen Aufgabe, diese Pilze zu entdecken und zu beschreiben. Einige Pilzarten können eine Gefahr darstellen, da sie die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen beeinträchtigen. Andere spielen hingegen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Medikamente oder tragen zur Erhaltung gesunder Ökosysteme bei. Pilze werde oft mit Fäulnis und Zerfall in Verbindung gebracht. Kein Wunder, denn viele Pilzarten sind tatsächlich darauf spezialisiert, totes Material zu zersetzen. Dadurch werden Nährstoffe für Tiere und Pflanzen freigesetzt. Pilze spielen also eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf! Wie Tiere und Pflanzen sind auch Pilze vom Klimawandel und der Veränderung der Ökosysteme betroffen. Einige Pilzarten sind vom Aussterben bedroht und könnten verschwinden, bevor sie jemals entdeckt oder beschrieben werden.

Unterschiedliche Lebensweisen

Pilze auf Baumrinde

Zunderschwamm mit „Jahrringen“; dieser Pilz wächst mit dem Baum mit. Bild: Albarubescens/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

In einem ganz gewöhnlichen Wald sind an beinahe jedem Baumstamm irgendwo kleine oder grosse Pilzfruchtkörper zu entdecken, und auch in und an Totholz wird man fast immer fündig. Es gibt Pilze, deren Fruchtkörper mehrere Jahre alt werden können. Sie wachsen zusammen mit dem Baum und bilden eine Art Jahrringe. Man kann diese Pilze immer wieder aufsuchen, um zu sehen, wie stark sie gewachsen sind und wie sie sich über die Jahreszeiten hinweg verändern. Über längere Zeit kann man auch beobachten, ob der Baum gesund bleibt, ob der Pilz ihn vielleicht krank macht oder ob Bäume mit dem Pilz sogar besser wachsen als solche ohne.

Faszinierende Form: Mikroskopisch kleiner Fruchtkörper des Eichenmehltaus. Bild: Gubin Oleksander/Wikimedia Commons, CC BY 4.0

Andere Fruchtkörper zerfallen bereits innert kürzester Zeit und können nur ganz kurz beobachtet werden. Trotzdem wird sich der Pilz auch ohne Fruchtkörper weiterhin im Holz ausbreiten.

Einige Pilze wachsen auf den Blättern oder Nadeln. Diese Fruchtkörper bleiben oft sehr klein und sind von Auge nur als kleine dunkle Kügelchen zu erkennen. Unter dem Mikroskop entdeckt man jedoch die seltsamsten Wuchsformen!

Unheimlich ... oder lecker?

Baumstamm, an dem sich drei dunkelbraune Finger hervorzuschieben scheinen

Wessen Hand schiebt sich da um den Baum?!? Glücklicherweise nur ein Pilz, die „Vielgestaltige Holzkeule“. Ihr englischer Name ist „Dead Man’s Fingers“ ... Bild: mjpapay/Wikimedia Commons, CC BY 4.0

Dass die oberirdischen Fruchtkörper vieler Pilze leuchtend weiss sind, liegt daran, dass sie im Schatten wachsen und nicht der Sonne ausgesetzt sind. Andere jedoch schützen sich mit farbigen Pigmenten vor starken Sonnenstrahlen und Schadstoffen in der Luft. Einige Pilzarten wirken richtig gruselig und haben unheimliche Namen, wie etwa der Tintenfischpilz mit seinen rötlichen „Tentakeln“ oder die Vielgestaltige Holzkeule, die auf Englisch bezeichnenderweise „Dead Man’s Fingers“ genannt wird. Ihre Fruchtkörper sehen aus wie eine Gruppe von abgestorbenen Fingern, die aus der Erde herauswachsen …

Auch wer Speisepilze mag, kommt jetzt im Herbst natürlich auf die Kosten. Eigene Pilzbeobachtungen im Wald sollten jedoch vor allem mit den Augen gemacht werden, denn viele Pilze sind giftig. Es braucht grosses Fachwissen, um giftige von geniessbaren und wohlschmeckenden Pilzen zu unterscheiden. Wenn man Pilze nicht nur beobachten, sondern auch essen möchte, sollte man die gesammelten Exemplare vor der Zubereitung unbedingt einer Expertin oder einem Experten bei der Pilzkontrolle zeigen.

Pilze und ihre Lieblingsbäume

Viele Pilze gehen unterirdisch eine enge Verbindung mit bestimmten Bäumen ein. Das Myzel des Pilzes wächst um die Wurzelspitzen des Baumes herum und bildet sogenannte Mykorrhizen. Davon profitieren beide Organismen, denn sie tauschen auf diese Weise Nährstoffe miteinander aus. Das Wissen über diese Beziehung hilft auch bei der Pilzsuche: Siehst du den Lieblingsbaum eines Speisepilzes, hast du dort vielleicht auch Erfolg beim Sammeln!

So wächst der Steinpilz gern bei Eichen, der Butterpilz bei Fichten, der Pfifferling bei Weisstannen und der Birkenröhrling, wie der Name schon sagt, bei Birken.

Erstellt: 01.11.2024
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