Tiere & Pflanzen

Leben im Sand

Am Boden dieser Vertiefungen versteckt sich ein tückischer Jäger. Wer das ist? Die Antwort findest du im Text. :-) Bild: Adobe Stock

Beim Thema „Leben im Sand“ mag man als erstes an prominente Vertreter der Wüstentiere denken, wie Kamele mit ihren schwieligen, an den Sandboden angepassten, Fusssohlen. Doch Sand gibt es nicht nur in den grossen Dünen Nordafrikas oder Asiens. Auch die Schweiz kann eine gewisse Anzahl an sandigen Lebensräumen vorweisen, mit einer ebenso interessanten Fauna. Zugegeben, um die Tierwelt bestaunen zu können, die sich hierzulande im Sand tummelt, muss man sich manchmal doch etwas hinunterbeugen. Die Lebewesen, die wir hier vorstellen, sind von mikroskopisch klein bis ein paar Zentimeter gross. Ihre Überlebensstrategien sind deswegen nicht weniger beeindruckend.

Feldsandläufer

Zwei Eigenschaften des Feldsandläufers oder Feld-Sandlaufkäfers (Cicindela campestris) springen sofort ins Auge: seine grüne Farbe und die Geschwindigkeit, mit der er sich fortbewegt. Eher ein Sprinter als ein Langstreckenläufer, legt er mit seinen langen dünnen Beinen meist nur kurze Strecken in Schnelltempo zurück. Auch seine Flugstrecken beschränken sich auf wenige Meter, da Fliegen ihn Kraft kostet. Als ausgesprochener Jäger bevorzugt er Flächen mit wenig Bodenbewuchs, die ihm grosse Bewegungsfreiheit gewähren. Meist ist er deshalb auf sandigen oder kiesigen Untergründen zu finden. Im Sand legt er auch seine Eier ab. Die Larven des Feldsandläufers graben bis zu 40 cm lange Gänge in den sandigen Boden. Sie lauern an der Öffnung auf Beute und ziehen sich komplett in die Röhre zurück, wenn sie selbst bedroht werden.

Höhlen von Uferschwalben (Riparia riparia) in Minsmere, Suffolk, Vereinigtes Königreich. Bild: Donald Hobern/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Uferschwalbe

Die Uferschwalbe (Riparia riparia), die kleinste Schwalbenart in Europa, nistet in bis zu über einem Meter langen Röhren, die sie mit den Füssen selbst ausgräbt. Idealer Standort für den kleinen Vogel sind sandige Steilwände, wie sie an Flussufern entstehen. In der Schweiz sind solche Strukturen selten und die meisten Uferschwalben brüten in Abbaugebieten für Kies und Sand, wo durch den fortlaufenden Materialabbau steile Wände mit Sandbändern entstehen. Allerdings nimmt die Anzahl auch dieser Lebensräume aufgrund von Auflagen, die einen schnelleren Abbau und eine Rekultivierung der Kiesgruben fordern, ab. In der Schweiz findet man die Uferschwalbe im Mittelland, sie gilt aber als stark gefährdet. Flussrenaturierungen haben bisher keine Wirkung auf den Bestand der Uferschwalben gezeigt. Künstliche Brutwände könnten das Brutverhalten lokal fördern. 

Ameisenlöwe (vermutlich Myrmeleon formicarius) in Kirchwerder, Hamburg. Bild: Aiwok/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Ameisenlöwe

Als Ameisenlöwe wird die Larve der Gemeinen Ameisenjungfer (Myrmeleon formicarius) bezeichnet, eines Insekts, das im Aussehen an eine Libelle erinnert. Dass die Larve bekannter als das adulte Insekt ist, liegt an ihrer tückischen doch faszinierenden Beutefangmethode. Der Ameisenlöwe gräbt eine runde Mulde in den Sand, die er zu einem Trichter vertieft, indem er mit seinen kräftigen Mundwerkzeugen Sand bis zu 30 cm weit nach aussen wirft. Er versteckt sich im Sand auf dem Grund des entstandenen Trichters und lauert auf Beute. Meist sind nur seine Mundwerkzeuge zu sehen, wie sie aus dem Sand ragen. Die Wände des Trichters sind so steil, dass ein vorbeilaufendes Insekt wie eine Ameise auf den losen Sandkörnern den Halt verliert und Richtung Trichterboden abrutscht. Versucht die Ameise zu fliehen, bewirft der Ameisenlöwe sie mit Sand, so dass die Ameise wieder hinunterrutscht. Hat der Ameisenlöwe die Ameise einmal gepackt, injiziert er ein lähmendes Gift sowie Verdauungsenzyme in ihren Körper und saugt die Beute aus, was mehrere Stunden dauern kann. Die leere Insektenhülle wirft er dann aus dem Trichter. Die Insektenfamilie der Ameisenjungfern umfasst ca. 2 000 Arten weltweit. Die meisten Ameisenlöwen leben überwiegend im Sand, aber nur etwa 10 % bauen einen Trichter. In der Schweiz sind acht Arten bekannt (Stand 2010), von denen drei Arten Trichter zum Beutefang bauen. Die Gemeine Ameisenjungfer ist die hierzulande am häufigsten vorkommende Art. 

Flussuferwolfsspinne (Arctosa cinerea), Isar-Aue, Garmisch, Deutschland. Bild: Fritz Geller-Grimm/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Flussuferwolfsspinne

Eine sehr selten in der Schweiz beobachtete Art ist die Flussuferwolfsspinne (Arctosa cinerea), mit bis zu 17 mm eine der grössten einheimischen Spinnen. Neben älteren gesicherten Nachweisen im Tessin bestätigt ein Bericht von 2022 das Vorkommen von Flussuferwolfsspinnen an drei verschiedenen Fundorten in Graubünden. Die gefundenen Individuen wurden auf reinen Sandbänken auf trockenem Sand angetroffen und ihre Höhlen lagen meist exponiert in offenen Sandflächen. Die meist dämmerungs- und nachtaktiven Spinnen kommen in ganz Europa vor, sind aber auch in Deutschland und Österreich sehr selten und auf der roten Liste. Flussuferwolfsspinnen leben in Dünen, an sandigen Meeresküsten, auf Kiesbänken und vegetationsarmen Flussufern.  

Tagsüber und während Hochwasser ziehen sie sich in 10–20 cm tiefe Röhren zurück. Die Winterruhe verbringen sie in selbstgegrabenen Höhlen an höher gelegenen Stellen. Auch in Kiesgruben sind Flussuferwolfsspinnen beobachtet worden. 

Hosenbiene. Die Haare an den Hinterbeinen sind ganz gelb vor Pollen. Bild: Adobe Stock

Hosenbiene

Die Hosenbiene (Dasypoda hirtipes), eine Solitärbiene, sieht mit ihren reichlich lang behaarten Beinen aus, als würde sie Hosen tragen. Diese Haarbürsten, Scopae genannt, sind einerseits sehr nützlich, um grosse Mengen an Pollen zu transportieren. Sie dienen aber auch dazu, losen Sand, der beim Graben einer Höhle anfällt, wegzubürsten. Weibliche Hosenbienen graben mit ihren Mundwerkzeugen ihre Höhlen meist in einem sandigen, nach Süden ausgerichteten Ufer oder Hang. Die Nester können mehr als 60 cm lang sein und bestehen aus mehreren Brutkammern mit bis zu acht Zellen, die jeweils mit einem Ei bestückt werden. Obwohl sie in Bezug auf ihre Nahrung recht wählerisch und auf Pollen von bestimmen Pflanzenfamilien spezialisiert ist, gilt die Hosenbiene aktuell als nicht gefährdet. Dennoch fordert ihre ökologische Bedeutung als Bestäuber insbesondere angesichts des Rückgangs anderer Bienenarten, den Erhalt ihres Lebensraums. 

Flussregenpfeifer (Charadrius dubius) spiegelt sich in einem flachen Teich bei Roermond, Niederlande. Bild: Stephan Sprinz/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Flussregenpfeifer

Der ursprüngliche Lebensraum des Flussregenpfeifers (Charadrius dubius) sind natürliche Flussläufe mit vegetationsarmen Kies-, Sand- und Schlickinseln und –ufern. Er ist aber auch in Kiesgruben oder Steinbrüchen zu finden. Sein Nest baut er in einer Mulde im Kies oder Sand, was es besonders anfällig für Störungen von Erholungssuchenden, Raubtieren oder Hochwasser macht. Dank seiner Anpassungsfähigkeit bleibt die Population von Flussregenpfeifern in der Schweiz konstant. Dennoch wäre die Erschliessung weiterer sicherer Brutplätze mittels geeigneter Schutzmassnahmen für die Sicherung des Bestands angezeigt. 

Saharastaub verdunkelt die Sicht auf das Bergpanorama (Lohner bei Adelboden). Bild: Paebi/WIkimedia Commons, CC-Lizenz

Bakterien

Sand kann uns als lebensfeindlich erscheinen, da wir ihn mit Trockenheit und fehlender oder spärlicher Vegetation assoziieren. Dennoch tummelt sich im Sand das Leben vor allem im mikroskopischen Bereich. In einem Sandkorn können bis zu 100 000 Bakterien leben, die zu Tausenden verschiedener Arten gehören, wie eine Analyse von Körnern aus der südlichen Nordsee offenbarte. Die Bakterien besiedeln Risse und Kuhlen im Sandkorn und sind so vor mechanischer Störung geschützt. Sie können Kohlenstoff und Stickstoff verarbeiten und wirken damit wie ein Filter für Meerwasser oder aus Flüssen einströmendes Wasser. Spannenderweise können die im Sand lebenden Bakterien grosse Entfernungen zurücklegen. Bestimmte Wetterereignisse bewirken, dass Staub aus der Sahara auf dem Luftweg nach Europa gelangt. In der Schweiz ist es nicht nur einmal vorgekommen, dass sich der Himmel gelblich bis orange verfärbte und Sand sich als rote Schicht auf dem Schnee in den Alpen ablagerte. Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass mit dem Sand auch Bakterien transportiert werden können.

Männliche Zauneidechse in prachtvollem Grün. Bild: böhringer friedrich/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Zauneidechse

Die in der Paarungszeit wunderschön grün glänzende (übrigens nur die Männchen) Zauneidechse (Lacerta agilis) bevorzugt trockene Lebensräume mit niedriger Buschvegetation wie Waldränder, Feldraine, Hecken oder Steinbrüche. Besonders wichtig für die Arterhaltung sind sonnige, sandige Stellen. Das Weibchen brütet seine Eier nicht selbst aus, sondern setzt sie in Löchern ab, die es selbst in den Sand gegraben hat, und überlässt das Brüten der Sonne. Bei einer Umgebungstemperatur von 20–25 °C schlüpfen die Jungen nach etwa 2 Monaten. 

Fun Fact

Köcherfliegenlarven, die im Wasser leben, benutzen manchmal Sandkörner, um ihren Köcher zu verstärken. 

Der Köcher dieser Köcherfliegenlarve besteht aus zusammengeklebten Sandkörnern. Nur der Kopf und die Beine schauen heraus. Bild: Adobe Stock

Text:

Redaktion SimplyScience.ch, erschienen in Fachzeitschrift für Kindergarten und Unterstufe, 4 bis 8, Nr. 4/2024, Schulverlag plus, https://www.4bis8.ch/

Quellen:

Feldsandläufer
https://de.wikipedia.org/wiki/Feld-Sandlaufk%C3%A4fer 
https://www.naturspektrum.de/db/spezies.php?art=cicindela_campestris 
https://www.bund-bretten.de/2014/09/steckbrief-feldsandlaeufer-cicindela-campestris/ 

Uferschwalbe
https://www.vogelwarte.ch/de/voegel-der-schweiz/uferschwalbe/ 
https://www.vogelwarte.ch/modx/de/atlas/focus/kiesgruben-zufluchtsorte-fuer-vertriebene-arten 
https://www.landschaftundkies.ch 

Ameisenlöwe
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/sonstige-insekten/11781.html 
https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwj1hMH958CEAxXF9AIHHaebAt0QFnoECA0QAw&url=https%3A%2F%2Flacewing.tamu.edu%2Fneuropterida%2Fneur_bibliography%2Fedoc12%2Fduelli2010ref14312-19213.pdf&usg=AOvVaw2Eai7N3lagFg2tdL6ZX_gg&opi=89978449

Flussuferwolfsspinne
https://scnat.ch/de/uuid/i/cdde563e-ab48-5796-be80-c60c7c3d4735-Entomo_Helvetica_Band_15_2022
https://de.wikipedia.org/wiki/Flussuferwolfspinne 

Hosenbiene
https://biocommunication.org/de/insects360/amazing-pollinators/dressed-for-labor-not-for-show-the-pantaloon-bee/  

Bakterien
https://www.scinexx.de/news/geowissen/was-lebt-auf-einem-sandkorn/ 
https://www.nzz.ch/schweiz/was-ist-saharastaub-und-wie-kommt-er-in-die-schweiz-ld.1603261 
https://www.tagesanzeiger.ch/saharastaub-faerbt-die-luft-und-der-mond-zeigt-sich-mit-halo-466089795892 

Flussregenpfeifer
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/vogel-des-jahres/1993-flussregenpfeifer/index.html 
https://www.vogelwarte.ch/de/voegel-der-schweiz/flussregenpfeifer/

Zauneidechse
https://www.zauneidechse.ch
https://www.bund-hessen.de/arten-entdecken/zauneidechse/
  

Köcherfliegenlarven
https://www.waldzeit.ch/tiere/koecherfliegen-trichoptera/ 

Erstellt: 26.06.2024
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