Ein zweites Ich in uns?
Es ist allgemein bekannt, dass bakterielle Infektionen wie Cholera (Erreger: Vibrio cholerae) oder Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) das Leben der infizierten Person stark beeinträchtigen, wenn nicht sogar frühzeitig beenden. Im Gegensatz zu diesen Pathogenen erfüllt das ständig anwesende Mikrobiom unseres Körpers jedoch sehr wertvolle, zum Teil gar lebensnotwendige Aufgaben. Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Archaeen) bezeichnet, die die Oberflächen unseres Körpers besiedeln, also die Haut, die Schleimhäute im Mund und in der Nase und besonders den Darm. Es wird geschätzt, dass unser Mikrobiom aus 100 Billionen Zellen besteht, ein Grossteil davon entfällt auf Darmbakterien.
Obwohl die Forschung zu diesem Mikrobiom noch jung ist, weiss man schon heute von einigen wertvollen Diensten, die diese Bakterienpopulation für uns Menschen leistet. Dazu gehören die Produktion von Vitaminen, der Abbau von für uns nicht verdaulichen Nahrungsbestandteilen oder das In-Schach-Halten von Krankheitserregern durch Konkurrenz um Platz und Nahrung. Ob das Darmmikrobiom über hormonelle Prozesse tatsächlich auch Einfluss auf unser Wohlbefinden und Handeln hat, ist heute noch nicht endgültig bestätigt. Auch über seine Bedeutung im Zusammenhang mit Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes und Allergien herrscht noch keine Einigkeit. Wir hingegen beeinflussen unser Mikrobiom sehr konkret und jeden Tag: alles, was unseren Verdauungstrakt passiert, d. h. Essen, Getränke oder Medikamente, beeinflusst bzw. verändert die Zusammensetzung unseres Mikrobioms – Koevolution zum Zuschauen quasi, wenn unsere Bauchdecke durchsichtig wäre.