Technik & Materialien

Gentechnik in der Landwirtschaft?

Sojafeld in Brasilien

In Brasilien wird, knapp vor den USA, am meisten gentechnisch veränderter Soja angebaut. Bild: Tiago Fioreze/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Dass der Mensch das Erbgut von Pflanzen und Tieren (und sogar sein eigenes) verändern kann, ist faszinierend und kann zugleich beunruhigend sein. Welche Überlegungen stehen dahinter, Gentechnik in der Landwirtschaft anzuwenden?

Ein Brötchen essen, das gentechnisch veränderten Weizen enthält? Oder lieber eines aus einer neu erhältlichen Getreidesorte, die ohne Gentechnik gezüchtet wurde? In der Schweiz würden sich in einem solchen Fall viele gegen das "Gentech-Brötchen" entscheiden, obwohl das wissenschaftlich kaum zu begründen ist. Biotechnologische Methoden stehen in der Tradition einer langen Geschichte der Entwicklung und Züchtung von Kulturpflanzen, immer mit dem Ziel, die Eigenschaften der vorhandenen Pflanzen zu verbessern und an die herrschenden Umweltbedingungen anzupassen.

All unsere Kulturpflanzen wurden über Jahrtausende hinweg gezüchtet, bis sie ihre heutige Form und Sortenvielfalt erreicht haben. Vom Wildgras bis zum Mais oder Weizen war es ein sehr langer Weg! Man wählte immer wieder die Pflanzen mit den besten Eigenschaften aus und kreuzte sie gezielt. Unter den Nachkommen suchte man dann wieder diejenigen aus, deren Eigenschaften am vorteilhaftesten waren. Ob man das Ziel der Züchtung (z. B. mehr Ertrag oder bessere Resistenz gegen Umweltfaktoren) erreichen würde, konnte man jedoch nie sicher voraussagen, denn die Kombination der genetischen Eigenschaften bei der Befruchtung ist stark vom Zufall beeinflusst.

Maiskolben

Gewisse Mutationen, ob spontan oder im Labor erzeugt, sind von Auge sichtbar. Bild: Wikimedia Commons

Allerdings kann man die Variation der Nachkommen vergrössern, indem man die Samen beispielsweise radioaktiv bestrahlt oder mit Temperaturschocks behandelt. Dadurch steigt die Mutationsrate im Erbgut, und es können zufälligerweise Pflanzen entstehen, die gegenüber den nicht mutierten Pflanzen Vorteile aufweisen.

Die Anfänge der Gentechnik

Vor 45 Jahren wurde zum ersten Mal ein gentechnisch verändertes Bakterium erzeugt. Später lernte man, auch in Zellen von Pflanzen oder Tieren fremde Gene einzuschleusen. Das ist nicht ganz einfach, denn das ausgewählte Gen muss nicht nur in die Zelle gelangen, sondern funktionierender Teil des Erbguts werden: Es muss sich in die DNA integrieren und dort von der Zelle so abgelesen werden, als ob es zur eigenen Erbinformation gehören würde. Auch mit gentechnischen Verfahren brauchte man also unzählige Versuche, um eine Zelle mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Allerdings kam man dabei viel schneller vorwärts als bei einer traditionellen Züchtung, denn das zu übertragende Gen war bekannt, und sofort nach dem Experiment konnte überprüft werden, ob es in der transgenen Zelle funktionierte – ohne abzuwarten, bis die Pflanze blühte, Samen produzierte, und die nächste Generation herangewachsen war. Ein entscheidender Unterschied zur klassischen Züchtung ist natürlich auch, dass dieser Prozess unabhängig von der natürlichen Fortpflanzung ist und sich auch Gene ins Erbgut einbauen lassen, die von einer anderen Art stammen.

Werkzeuge der Biotechnologie

Werkzeuge der Biotechnologie: Weizenkörner, Bakterienkulturen und eine Abbildung von DNA-Stücken, die Resistenzgene (z. B. gegen eine Pilzkrankheit) tragen. Bild: Wikimedia Commons

Die wichtigsten Beispiele für solche gentechnisch veränderten Kulturpflanzen sind Soja, Mais und Baumwolle. Sie sind entweder resistent gegen Schädlinge oder gegen Unkrautvertilgungsmittel, so dass das ganze Feld damit gespritzt werden kann, ohne die Nutzpflanze zu schädigen. Die entsprechenden Resistenzgene stammen aus Bakterien oder Pilzen. Im Fall der Schädlingsresistenz handelt es sich um das Gen für ein natürliches Insektengift aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt); die entsprechenden Pflanzen sind deshalb als Bt-Mais und Bt-Baumwolle bekannt.

Neue Methoden, neue Definitionen

Gentechnik wird aber nicht nur genutzt, um artfremde Gene ins Erbgut einzuführen. Auch Gene derselben Art können neu miteinander kombiniert werden; man bringt also beispielsweise das Resistenzgen eines Wildapfels ins Erbgut eines Kulturapfels ein. Dieses Ergebnis hätte man theoretisch auch durch Kreuzung und Selektion der beiden Apfelsorten erhalten können, doch hätte dies viel länger gedauert. Den gentechnisch hergestellten Apfel mit dem zusätzlichen Apfel-Gen nennt man einen cisgenen Organismus (im Gegensatz zu einem transgenen Organismus, der artfremdes Erbmaterial enthält).

Transgen und cisgen

Transgen nennt man einen gentechnisch veränderten Organismus, dem Erbmaterial von einem artfremden Lebewesen eingesetzt wurde.
Cisgen wird ein Organismus genannt, in dessen Erbgut Gene von einem Organismus derselben Art eingebracht wurden.

Aber wie unterscheidet man dann eine cisgene Pflanze von einer traditionellen Züchtung? Genau das ist eine der Fragen, mit denen man sich bei der Bewertung der Gentechnologie befasst. Denn wenn heute von Gentechnologie gesprochen wird, umfasst dies eine ganze Reihe von Techniken und Methoden mit unterschiedlichen Zielsetzungen – und es sind nicht mehr unbedingt dieselben wie vor dreissig Jahren.

Erstellt: 01.10.2018
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