Ein Teil der Tierschützerinnen und Tierschützer vertritt die Position, dass Tiere selbstbewusste Wesen mit einem Eigenwert und eigenen Rechten sind und daher zu achten sind wie Menschen. Gemäss dieser Position ist es in keinem Fall gerechtfertigt, Tieren zur Befriedigung menschlicher Interessen Schmerzen, Angst oder Stress zuzumuten. Gemäss dieser Position sind nicht nur Tierversuche unzulässig, sondern es lässt sich auch nicht rechtfertigen, Tiere für die Fleischproduktion zu töten, in Zoos zu sperren oder als Haustiere in einem Käfig zu halten.
Daneben gibt es auch den Standpunkt, dass Menschen und Tiere insgesamt nicht gleichwertig sind und bedeutende Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Der Mensch kann sich Tiere zunutze machen und tut dies auch. Doch es ist unbestritten, dass Tiere Schmerz empfinden und leiden können. Der Mensch anerkennt diese Leidensfähigkeit von Tieren und passt sein Handeln entsprechend an. Er hat die Pflicht, die Interessen der Tiere ebenfalls zu berücksichtigen und darf nicht frei über die Tiere verfügen. Am wichtigsten ist das tierische Interesse an einem schmerz- und angstfreien Leben. Andere Interessen sind, je nach Tierart, die Möglichkeit mit Artgenossen zusammenzuleben, sich in Verstecke zurückzuziehen, oder wühlen und graben zu können.
Befürworterinnen und Befürworter von Tierversuchen argumentieren, dass die naturwissenschaftliche Forschung aufgrund ethischer Überlegungen den Auftrag hat, biologische und medizinische Zusammenhänge zu ergründen. Dazu gehört auch, neue oder verbesserte Behandlungen für menschliche Krankheiten zu entwickeln. Da bei jeder neuen Methode mit Misserfolgen und Nebenwirkungen gerechnet werden muss, wäre es ethisch nicht vertretbar, diese direkt an Kindern oder Erwachsenen anzuwenden. Aus Gründen der Patientensicherheit sind Tierversuche deshalb nötig und auch gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings sind nur unabdingbare Tierversuche ethisch zu rechtfertigen. Unabdingbar bedeutet, dass es um die Beantwortung wichtiger wissenschaftlicher Fragen mit hohem Überlebens- oder Schadensrisiko für den Menschen geht oder um die Erforschung zentraler biologischer Zusammenhänge. Zudem muss die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass der Tierversuch zur Lösung des Problems beiträgt, denn die wissenschaftliche Schlussfolgerung aus Tierversuchen hat Grenzen; es lassen sich nicht alle Erkenntnisse auf den Menschen übertragen. Schliesslich verlangt das Kriterium der Unabdingbarkeit, dass keine andere Methode als der Tierversuch geeignet ist. Trotz der Definition der Unabdingbarkeit, lässt auch diese weiterhin Raum für Diskussionen. Welche Versuche gehören nun in diese Kategorie und welche nicht? Wo zieht man die Grenze?
3R: „replace, reduce, refine“
Um die Zahl der Tierversuche zu senken und die einzelnen Versuche möglichst gut durchzuführen, wird heute die 3R-Regel „replace, reduce, refine“ angewendet. Replacement fordert, Tierversuche zu ersetzen, wann immer es alternative Methoden gibt, die gleichwertige Resultate liefern können. Heute finden anstelle von Tierversuchen oft Versuche an Zellkulturen oder mit Computermodellen statt. Reduction zielt darauf ab, die Zahl der verwendeten Tiere zu reduzieren. Dies gelingt zum Beispiel, indem Wiederholungsversuche vermieden werden. Refinement strebt an, die Belastung der Versuchstiere zu senken. Tiere werden für schmerzhafte Eingriffe narkotisiert, Operationsverfahren werden optimiert, und die Tiere werden so behandelt, dass sie möglichst wenig Angst erleiden müssen. Zum Refinement gehört auch die Sicherstellung einer artgerechten Haltung.
Mithilfe der Güterabwägung wird entschieden, ob ein Tierversuch ethisch gerechtfertigt werden kann. Die leitende Frage ist: Was wiegt im konkreten Fall mehr, das Leiden des Tieres oder der Nutzen für den Menschen?
Die Verwendung transgener Tiere
Gentechnisch veränderte Mäuse dienen unterschiedlichen Forschungszwecken. Einer davon ist die Erforschung von menschlichen Krankheiten. Forschende verwenden diese Tiere als Modelle, um die Entstehung und die Behandlung einer Krankheit zu untersuchen.
Aus ethischer Sicht ist ausschlaggebend, ob und wie stark das Tier durch die gentechnische Veränderung beeinträchtigt wird. Die Einführung eines Krebsgens (Onkogen) bewirkt, dass die Mäuse Tumore entwickeln. Ob ein Versuch mit solchen Krebsmäusen ethisch gerechtfertigt ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen ist entscheidend, wie wichtig die Frage ist, die anhand des Mausmodells beantwortet werden soll. Zum anderen muss abgeklärt werden, wie gut die Schmerzen der Maus gelindert und die Belastungen für sie eingeschränkt werden können. Allein die Tatsache, dass ein Tier gentechnisch verändert ist, ist kein ausreichender Grund, den Versuch abzulehnen. Die „Würde der Kreatur“ ist nicht automatisch verletzt.
Was aber ist mit der „Würde der Kreatur“ gemeint? Wichtig ist, dass sie sich klar von der Menschenwürde unterscheidet. Die Menschenwürde besagt, dass man mit Menschen bestimmte Dinge nie machen darf, einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass es sich um Menschen handelt. Es braucht dafür keine weiteren Erklärungen und es ist nicht erlaubt, abzuwägen. Bei Tieren hingegen können wir uns weniger vorstellen unter dem Satz: „Eine Fliege hat Würde, weil sie ein Tier ist“. Die „Würde des Tieres“ verweist vielmehr auf den Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. So steht es auch im Tierschutzgesetz. Anders als bei der Menschenwürde dürfen daher Abwägungen vorgenommen werden. Die Würde des Tieres ist beachtet, wenn überwiegende Interessen des Menschen (Verständnis biologischer Zusammenhänge, Entwicklung wirkungsvoller Medikamente etc.) eine Belastung des Tieres (Schmerzen, Angst etc.) rechtfertigen.