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Ethik und grüne Gentechnik

Bild: CanStockPhoto

Gentechnik wird auch im Bereich der Pflanzenforschung eingesetzt. In die Debatte um gentechnisch veränderte Nahrungsmittel fliessen zahlreiche Diskussionspunkte bezüglich Landwirtschaft und Welternährung ein.

Unsere Ernährung basiert auf Pflanzen. Mehl und Cornflakes stammen von einem Getreide- beziehungsweise Maisfeld. Eier werden von Hühnern gelegt, die Soja frassen. Wer Fleisch isst, verzehrt damit ein Produkt der Viehwirtschaft, die auf pflanzliche Futtermittel angewiesen ist. Die wachsende Weltbevölkerung und das Konsumverhalten eines jeden Menschen stellen die Landwirtschaft vor grosse Herausforderungen und bringen wichtige ethische Fragen mit sich.

Die Versorgung der Menschen mit Nahrung ist ein riesiger Industriezweig. Zum Agrobusiness gehören sowohl das Bereitstellen von Ackerfläche und Saatgut als auch die Weiterverarbeitung der geernteten Pflanzen zu Nahrungsmitteln. Getreide, Mais und Soja werden meist in grossen Monokulturen angepflanzt, die mit Pflanzenschutzmitteln gegen Insekten, Pilzbefall und Unkraut geschützt werden müssen. Nicht nur der Anbau, auch der Handel quer über den Erdball und die Verarbeitung zu Nahrungs- oder zu Futtermitteln belasten die Umwelt. Riesige multinationale Konzerne dominieren den Markt und verstärken die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern.

Ein weiterer wichtiger Punkt zum Thema Welternährung ist die Verteilungsgerechtigkeit. Während der Speisezettel in den Industrieländern sehr vielfältig ist, leiden Menschen in den Entwicklungsländern an schweren Folgen von Unter- oder Fehlernährung, weil die produzierte Nahrung nicht dahin gelangt, wo sie gebraucht wird, oder weil die Leute sie nicht bezahlen können.

Gentechnik wird auch im Bereich der Pflanzenforschung eingesetzt. Dieser Bereich der Gentechnik wird oft als „grüne Gentechnik“ bezeichnet. Zahlreiche Diskussionspunkte bezüglich Landwirtschaft und Welternährung fliessen in die Debatte um gentechnisch veränderte Nahrungsmittel ein.

Unabhängig davon, ob es sich um gentechnisch veränderte oder um traditionelle Nutzpflanzen handelt, muss sich die Landwirtschaft bei der Nahrungsmittelproduktion drei zentralen Herausforderungen stellen:

  1. Mit ertragreichen Pflanzen eine gute Produktivität anstreben
  2. Ernteverluste durch Unkraut, Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten vermeiden
  3. So umweltschonend wie möglich arbeiten

Die Frage ist: Welche Rolle kann und soll die Gentechnik dabei spielen?

Es gibt diverse Pflanzen, welche gentechnisch verändert wurden, um den oben genannten Zielen näher zu kommen. Der Bt-Mais mit Insekten-Resistenz beispielsweise verhindert Ernteverluste durch Schädlinge und führt so zu höheren Ernten. Ob er verträglicher ist für die Umwelt als herkömmlicher Mais, ist damit noch nicht geklärt.

Gentechnik in der Grundlagenforschung

Überschwemmungen, hungrige Insekten, Pilzbefall oder Viruskrankheiten gefährden immer wieder die Produktion in der Landwirtschaft. Mit möglichst wenig umweltschädlichen Eingriffen eine gute Ernte zu erzielen, bleibt trotz allen Fortschritten der Landwirtschaft eine Herausforderung – egal, ob gentechnisch veränderte Sorten, konventionelle Sorten oder Biolandbau eingesetzt werden. Aus ethischer Sicht ist die Naturwissenschaft verpflichtet, Verbesserungen zu entwickeln.

Dank Forschung auf zellulärer und molekularer Ebene versteht man immer besser, wie Pflanzen ihre Feinde bekämpfen. Dieses Wissen erlaubt es, robustere Varianten zu entwickeln, zum Beispiel Kartoffeln, die seltener von einem Fäulnispilz befallen werden. Auch wenn die neuen Sorten nicht gentechnisch verändert sind, so wäre deren Züchtung ohne Resultate aus der Grundlagenforschung – und also ohne Gentechnik – nicht möglich.

Gentechnik in der Landwirtschaft

Auf Ackerflächen in der Schweiz dürfen transgene Pflanzen nur zu Forschungszwecken angebaut werden. Weltweit aber wachsen transgene Pflanzen (vorwiegend Soja, Mais, Baumwolle und Raps) auf Millionen von Hektaren. Bezogen auf die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche machen sie einen kleinen Teil aus. Trotzdem ist heute die Hälfte der angebauten Baumwolle gentechnisch verändert, bei Soja sind es drei Viertel.

Über Nutzen und Gefahren, Sinn oder Unsinn des kommerziellen Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt es in Europa eine heftige Auseinandersetzung. Mittlerweilen prägen festgefahrene Fronten die Diskussion. Die einen stellen Werte wie Produktionssteigerung oder Hungerbekämpfung in den Vordergrund, für andere stehen Werte wie Selbstbestimmung beim Konsum von Nahrungsmitteln, Schutz vor Risiken oder die Wahrung der Schöpfung im Zentrum. Durch die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, was die „richtige“ Art der Herstellung von Nahrungsmitteln ist, kommt es zu sehr unterschiedlichen Bewertungen, selbst wenn alle von den gleichen Informationen und Zahlen ausgehen.

Durch neue Methoden, welche in der Gentechnik in den letzten Jahren vorgestellt wurden, kommen auch neue Fragestellungen auf. Die CRISPR/Cas9-Methode ermöglicht es nun, gentechnisch veränderte Pflanzen herzustellen, bei denen nicht mehr nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine gentechnisch veränderte Pflanze handelt. Mit CRISPR/Cas9 können einzelne Gene gezielt verändert werden, und nach der Veränderung kann die Maschinerie, die dafür gebraucht wird, wieder aus der Pflanze herausgekreuzt werden. Diese neuen Methoden führen nun auch dazu, dass die Ethik sich mit der Frage beschäftigen muss, zwischen welchen Kategorien von gentechnisch veränderten Pflanzen unterschieden werden soll und welche Regeln für die Kategorien gelten.

Für eine gute ethische Entscheidungsfindung müssen die Risiken der Gentechnik in der Landwirtschaft eingehend erforscht werden. Wichtig ist, dass die Bevölkerung, die Politik und die Entscheidungsträger über die Ergebnisse der Untersuchungen informiert werden. Nutzen und Risiken sowie Vor- und Nachteile für Umwelt und Gesundheit müssen dann gegeneinander abgewogen werden. Nur so können Fakten von unrealistischen Übertreibungen, die von beiden Polen in der Diskussion eingebracht werden, unterschieden werden. Aus ethischer Sicht ist es weder erlaubt, Risiken zu beschönigen, noch ungerechtfertigte Ängste zu schüren.

Gentechnik für Entwicklungsländer?

Diskutiert man über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Entwicklungsländern, geht es um Fragen der Globalisierung und Monopolisierung der Landwirtschaft und um grundsätzliche Fragen der Gerechtigkeit. Die Erfahrungen mit transgenen Pflanzen zeigen Gründe, die für ihren Anbau sprechen, aber auch problematische Aspekte. Die wichtigsten Punkte werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erhofft man sich, dem Ziel einer ausreichenden und hochwertigen Ernährung der Weltbevölkerung näher zu kommen. Doch Hunger und Unterernährung sind nicht vorwiegend Probleme der Produktionsmengen. Ursache für die Ernährungskrise sind neben der Armut eine verfehlte Verteilungspolitik und instabile politische Verhältnisse. An diesen Gründen ändern gentechnische Produkte nichts. Es ist daher unsachlich zu sagen, die „grüne Gentechnik“ sei generell eine Lösung für den Welthunger. Vielmehr müssen die genannten Gründe bekämpft und faire Weltmarktstrukturen geschaffen werden.

Auch die Frage der Abhängigkeit von Agrarfirmen muss beachtet werden. Wie herkömmliche Hochertragssorten sind auch viele transgene Pflanzen Hybridsorten. Hybride sind aus biologischen Gründen ertragreicher. Verwendet man die geernteten Samen aber für eine weitere Aussaat, geht der Ertrag zurück. Die Landwirte müssen also immer wieder neues Saatgut kaufen. Die Diskussion über Hybridsorten wird geführt, seit es diese Sorten gibt, also seit über 50 Jahren. Für die Bauern in Europa und den USA hat es sich als vorteilhaft erwiesen, jedes Jahr neues Hybridsaatgut zu kaufen, das eine hohe Keimfähigkeit hat.

Viele gentechnisch veränderte Sorten sind patentiert. Verschiedene Kreise sind gegen die Patentierung von Erbgut. Patente auf Leben werden abgelehnt, da sie nicht auf „Erfindungen“ beruhen, sondern nur die Funktionsweise von Gensequenzen belegen. Patente stellen sicher, dass es sich lohnt, in die Entwicklung neuer Technologien zu investieren. Sie sind damit ein wichtiger Antrieb der Forschung. Man kann jedoch darüber diskutieren, ob es gerechtfertigt ist, dass Saatgutfirmen den Anbau der patentierten Pflanze nur gegen die Bezahlung von Lizenzgebühren gestatten.

Im Spannungsfeld ethischer Werte

Die Diskussion um die „grüne Gentechnik“ ist geprägt von Fragen nach Werten und Zielen, die sich zum weltweiten Agrobusiness allgemein stellen. Dabei geht es im Kern darum, wirtschaftliche, ökologische und soziale Argumente gegeneinander abzuwägen. Es geht um Fragen wie: Wie viel Profit auf wessen Kosten ist gerechtfertigt? Welche Belastung für die Umwelt erachten wir als zulässig? Welche negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft müssen vermieden werden? Diese Fragen der Wirtschaftlichkeit, der Naturverträglichkeit und der gesellschaftlichen Gerechtigkeit werden in der Ethik im Prinzip der Nachhaltigkeit zusammengefasst. Das heisst, der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft muss ökonomisch und ökologisch und gesellschaftlich verantwortbar sein, damit er nachhaltig und damit ethisch gerechtfertigt ist.

Erstellt: 22.04.2018

Dieser Beitrag integriert Inhalte von der ehemaligen Website gene-abc.ch, die im Jahr 2016 von SimplyScience übernommen wurde. Das Gene ABC war eine Initiative des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und umfasste auch eine Reihe von YouTube-Videos.

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