Der Eisbär, eines der grössten Landraubtiere der Erde, lebt auf dem Packeis des Nordpolarmeers und in den angrenzenden Landstrichen. Beim Stichwort „Pinguin“ denken wir meist als erstes an die grossen Königs- und Kaiserpinguine mit ihrer aufrechten Körperhaltung und markanten Färbung, die untrennbar mit unserem Bild von der Antarktis verbunden sind. Eisbär und Pinguin sind damit vielleicht die bekanntesten Tiere der beiden Polregionen. Doch so ähnlich die Landschaften der Arktis und Antarktis auf Bildern aussehen mögen: Nicht nur ihre Tierwelt unterscheidet sich, sondern auch ihre Geografie und ihr Klima.
Zwei unterschiedliche Pole
An beiden Polen der Erde verschwindet die Sonne während des Winterhalbjahrs unter dem Horizont. Aber auch im Polarsommer trifft die Sonnenstrahlung an den Polen in einem flacheren Winkel auf als am Äquator. Das bedeutet, dass auch in der Antarktis im Dezember und Januar nur die Hälfte der Sonnenenergie ankommt, welche tropische Regionen erhalten. Es ist deshalb nur logisch, dass die Polregionen die kältesten Regionen der Erde sind (wenn man einmal von einzelnen Gipfeln in den allerhöchsten Bergregionen absieht) – aber warum ist es in der Antarktis noch viel kälter als in der Arktis? Das hat mit ihrer Geografie zu tun: Der Nordpol liegt unter dem Arktischen Ozean, der von den nördlichen Rändern der Kontinente Nordamerika und Eurasien begrenzt wird. Im Gegensatz dazu liegt der Südpol auf dem vom Südpolarmeer umgebenen Kontinent Antarktika. Beide Pole sind ganzjährig von Eis bedeckt. Doch das arktische Meereis ist nur wenige Meter dick; es schmilzt im Sommer zusammen und dehnt sich im Winter wieder aus. Die Eisschicht über der Antarktis ist hingegen im Durchschnitt über 2 km dick (an manchen Orten auch doppelt so mächtig) und erlebt keine solchen sichtbaren Schwankungen.
Kalt und noch kälter
Diese Unterschiede führen dazu, dass in der Antarktis ein viel stabileres kaltes Klima herrscht als im Nordpolarmeer: Die mittleren Jahrestemperaturen liegen in der Arktis bei –18 °C, in der Antarktis bei –49.3 °C! Wasser ist ein guter Wärmespeicher (auch wenn „Wärme“ in diesem Fall knapp 0 °C bedeutet), so dass sich der Arktische Ozean nie so stark abkühlt wie die Landmasse der Antarktis. Wenn im Sommer grössere Teile des Arktischen Ozeans frei liegen, reflektieren sie ausserdem weniger Sonnenenergie als das Eis; Wasser verdampft an der Oberfläche und bildet Wolken und Nebel, die zusätzliche Wärme in der Luft über dem Polargebiet speichern.
Die Antarktis hingegen ist der trockenste Kontinent auf der Welt, über dem ein permanenter „See“ von kalter Luft liegt – ein Hochdruckgebiet, das keine Wolkenbildung zulässt. In der klaren Luft der Forschungsstation Wostok, auf dem ostantarktischen Eisplateau in einer Höhe von 3488 m ü.M., wurden –89.2 °C gemessen. Das ist zwar die kälteste je offiziell auf der Erde gemessene Temperatur, doch Wostok ist immer noch 1300 km vom Südpol entfernt. Satellitendaten zeigen, dass sich die Luft in noch höher und südlicher gelegenen Regionen bis auf –98 °C abkühlen kann!
Ein Ziel für Forscher und Abenteurer
Ohne gute Gründe wagt sich kein Mensch in diese unwirtlichen Gegenden vor. Arktische Gebiete, die man auf dem Landweg erreichen kann, wurden jedoch schon vor 45‘000 Jahren von steinzeitlichen Jägern betreten. Erst im 19. Jahrhundert waren dann Technik und Schifffahrt so weit fortgeschritten, dass man sich an die Erforschung des Nordpolarmeers machen konnte. Der Norweger Fridtjof Nansen, der mit seinem Schiff „Fram“ von Sibirien aus ins Packeis aufbrach und das Schiff mit dem Eis am Nordpol vorbei nach Westen driften liess, erreichte 1895 zusammen mit Fredrik Hjalmar Johansen auf Skiern und mit Hundeschlitten eine nördliche Breite von 86°. Weitere Polarforscher versuchten in den nächsten Jahren, den Nordpol zu erreichen, doch ihre vermeintlichen Erfolge liessen sich nicht sicher belegen. Der erste gesicherte Überflug des Pols gelang Umberto Nobile, Lincoln Ellsworth und Roald Amundsen mit einem zeppelinartigen Luftschiff 1926.
Roald Amundsen war es übrigens auch gewesen, der im Dezember 1911 mit einer Gruppe von vier weiteren Männern als erster mit Hundeschlitten und Skiern den Südpol erreicht hatte. Sein Erfolg war Teil eines dramatischen Wettlaufs gegen eine Expedition des Engländers Robert Scott, der von einem anderen Lager aus zum Marsch über Antarktika aufgebrochen war. Auch diese Gruppe erreichte den Pol, jedoch erst im Januar 1912, und auf dem Rückweg kamen Scott und all seine Begleiter ums Leben.
Das Eis schmilzt
In den gut hundert Jahren seither haben sich die Polregionen der Erde vielleicht optisch nicht verändert, doch der Klimawandel wirkt sich insbesondere in der Arktis empfindlich aus. Masse und Fläche des Meereises haben stark abgenommen; 2008 durchfuhr zum ersten Mal ein Handelsschiff die Nordwestpassage durch das Nordpolarmeer. Für die Tierwelt bedeutet dies nichts Gutes: Eisbären benötigen tragfähiges Packeis, auf dem sie sich bei der Jagd bewegen können; Pinguine ziehen ihre Jungen auf dem Eis auf. Verlieren sie das Eis ihres Lebensraums, müssen die Tiere ihre Jagdstrategien ändern bzw. neue Brutgebiete auf sicherem Eis finden und nutzen. Nur wenn genügend grosse Populationen sich rasch genug an die veränderten Bedingungen anpassen, ist das Überleben ihrer jeweiligen Art auf längere Zeit gesichert.