Technik & Materialien

Ein Quäntchen Zukunft

Rolf Allenspach, Physiker am IBM-Forschungsinstitut in Rüschlikon.

Es gibt Probleme, die auch die schnellsten Supercomputer überfordern. Doch die nächste technologische Revolution steht schon vor der Tür: Der Quantencomputer.

Quantencomputer: Die Zukunft der Rechenleistung und Sicherheit. Bild: Adobe Stock

Er soll sich die speziellen Gesetze der subatomaren Welt, der Welt der kleinsten Teilchen, zunutze machen. In unserem Alltag machen diese Gesetze keinen Sinn. Für uns ist ein Gegenstand entweder da oder nicht da. In der Quantenwelt hingegen können Teilchen gleichzeitig hier und an vielen anderen Orten sein oder zur selben Zeit gegensätzliche Eigenschaften annehmen. Wie das gehen soll, übersteigt unsere Vorstellungskraft. Für "normale Computer" ist die Welt binär, das heisst, sie besteht einzig aus Nullen und Einsen. Sie übersetzen alle Informationen in Bits. Ein Bit kann nur zwei Zustände haben: 1 (Strom fliesst) und 0 (Strom fliesst nicht). Quantencomputer hingegen arbeiten mit Qbits (Quanten-Bits), die wie Mikropartikel gleichzeitig im Zustand 1 und 0 sein können. Und dazu auch in unendlich vielen Zuständen dazwischen. Deshalb kann der Quantencomputer (theoretisch) gleichzeitig eine Riesenzahl von Rechenschritten ausführen, die ein Supercomputer einen nach dem anderen abarbeiten müsste. Was das bedeutet, erklärt der Physiker Rolf Allenspach vom IBM-Forschungsinstitut in Rüschlikon:

Technoscope: Gibt es überhaupt schon Quantencomputer?

Rolf Allenspach: Bisher gibt es Quantencomputer ansatzweise erst in Forschungslabors und sie sind noch sehr fehleranfällig. Doch sobald eine gut funktionierende Quantenmaschine tatsächlich existiert, wären die meisten der heute verwendeten Verschlüsselungsverfahren nicht mehr sicher. Deshalb interessieren sich die Forschung oder auch das Militär so ungemein für sie. Allerdings wurden bei uns im IBM-Forschungslabor inzwischen auch bereits Verschlüsselungsalgorithmen entwickelt und standardisiert, die der Quantencomputer nicht knacken könnte.

Warum könnten Quantencomputer jede Verschlüsselung knacken?

Veschlüsserungstechnologien beruhen auf der Zerlegung von grossen Zahlen in Primzahlen. Das ist sehr aufwendig: Ein klassischer Computer, selbst ein Supercomputer, braucht sehr lange, bis er alle Varianten durchgerechnet hat. Der Quantencomputer hingegen kann alle Möglichkeiten parallel durchspielen und findet so in Sekundenschnelle etwas, wofür klassische Computer Tausende von Jahren brauchen. Eigentlich ist er zwar nicht schneller, aber er packt das Problem völlig anders an.

Was könnte der Quantencomputer noch?

Weil er nach den Gesetzen der Quantenwelt funktioniert, wird er die Eigenschaften von Systemen, die ebenfalls aus dem Nanokosmos stammen, viel exakter durchrechnen können. Zum Beispiel komplexe Molekülstrukturen oder komplizierte chemische Reaktionen. Das könnte die Entdeckung neuer Medikamente und Materialien beschleunigen oder die Entwicklung neuer Werkstoffe. Und schliesslich ist er bei Optimierungsaufgaben mit vielen Variabeln besser, also wenn es darum geht, unter sehr vielen Möglichkeiten die beste zu finden.

Ist der Quantencomputer also der nächste Supercomputer?

Nein, der Quantencomputer ist kein Supercomputer und wird diesen auch nicht ersetzen. Quanten- und Supercomputer werden einander ergänzen. Und im Tandem am stärksten sein.

Erstellt: 25.05.2024
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