ChatGPT als Aufgabenhilfe? Fallen und Stolpersteine

Da erstaunt es nicht, wenn Standardaufgaben aus der Schule für ChatGPT gar kein Problem sind. Ein Kapitel aus der Deutsch-Lektüre zusammenfassen? Klar. Die Photosynthese erklären? Ja sicher. Einen kurzen Aufsatz auf Englisch verfassen? Das schafft der Chatbot ohne weiteres. Was man bisher auf Wikipedia oder anderswo im Internet gesucht und zusammengefasst hat, liefert ChatGPT in wenigen Sekunden – und bereits ausformuliert.

Doch natürlich ist das nicht der Sinn einer Hausaufgabe; es ist gegenüber den Mitschülern unfair und deshalb sicher auch an deiner Schule nicht erlaubt. Die Sache hat aber noch einen weiteren Haken: Der Chatbot gibt die Quellen nicht an, aus denen er die Informationen zusammengestellt hat.

Quellenlage: unklar

Auf Nachfrage erhält man von der Software oft eine allgemeine Antwort wie „ich habe Informationen aus verschiedenen vertrauenswürdigen Quellen“ oder „ich habe Zugang zu einer breiten Palette von Wissensquellen und Datenbanken, einschließlich wissenschaftlicher Literatur und Lehrmaterialien“. Das hilft leider nicht weiter, wenn man eine bestimmte Info im Originaltext nachlesen möchte. Aufgepasst: Manchmal erfindet ChatGPT auch einfach Quellen oder gibt Bücher oder Webseiten an, welche die betreffenden Infos gar nicht enthalten! In einem unserer Test-Gespräche fragten wir nach der Anleitung für die Synthese von Aspirin (ein beliebter Chemie-Praktikumsversuch) und erhielten als Quelle eine Reihe von Lehrbüchern, die gar keine Anleitungen enthalten. Viel hilfreicher ist in diesem Fall eine gewöhnliche Suchmaschine: Sie verlinkt zu Versuchsanleitungen von verschiedenen Schulen und Universitäten, mit denen der Versuch tatsächlich durchgeführt werden kann. Neuere Chatbots sollen in diesem Bereich noch grosse Fortschritte machen; es bleibt aber trotzdem wichtig nachzuprüfen, ob eine Information zuverlässig und in dieser Form wirklich brauchbar ist. Natürlich gilt das in jedem Fall, nicht nur beim Gespräch mit einer künstlichen Intelligenz!

Einen weiteren Test haben wir mit einer Aufgabe aus dem Fach Deutsch durchgeführt – und einen Fehler in der Frage eingebaut, um herauszufinden, ob uns die Software korrigieren würde: „Kannst du mir Der Besuch der alten Dame von Max Frisch zusammenfassen?“

ChatGPT reagiert ohne Zögern: „Ja, natürlich. Der Besuch der alten Dame von Max Frisch handelt von einer reichen alten Dame namens Claire Zachanassian, die in ihre Heimatstadt Güllen zurückkehrt.“

Es folgt eine Zusammenfassung von 160 Wörtern, die eigentlich brauchbar wäre – wenn ChatGPT nicht den falschen Autor aus der Fragestellung übernommen hätte.

Wir haben nachgefragt: „Danke! Bist du sicher, dass dieses Stück von Max Frisch geschrieben wurde?“

Interessanterweise beharrt ChatGPT auf der falschen Aussage: „Ja, ich bin sicher, dass Der Besuch der alten Dame von Max Frisch geschrieben wurde. Es ist eines seiner bekanntesten Werke und wurde 1956 uraufgeführt. Es wurde in viele Sprachen übersetzt und ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Literaturgeschichte.“

Alles stimmt, bis auf den Autor. Die Antwort des Chatbots ist in diesem Fall also unzuverlässig! Sie hängt davon ab, wie die Fragen formuliert werden. Daraufhin berechnet die Software den wahrscheinlichsten Gesprächsverlauf – und der ist zwar sehr „menschlich“, das Ergebnis ist hier aber eine falsche Information.

Wir mussten also nochmals anders fragen: „Das stimmt nicht. Wer hat Der Besuch der alten Dame geschrieben?“

Darauf generiert ChatGPT nun die richtige Antwort. „Es tut mir leid, ich habe mich geirrt“, entschuldigt sich das Programm höflich. „Der Besuch der alten Dame wurde von Friedrich Dürrenmatt geschrieben. Friedrich Dürrenmatt war ein Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Essayist, der als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts gilt. Ich hoffe, das klärt deine Frage!“

Das Fazit: ChatGPT eignet sich prima für Brainstorming-Aufgaben, zum Beispiel, wenn du Ideen für ein Vortragsthema brauchst, zu dem du dann weiter recherchierst. Du kannst auch einen komplizierten Text in den Chatbot eingeben und ihn bitten, den Inhalt zu vereinfachen – das kann beim Lernen helfen. Bei offenen Fragen solltest du aber nicht davon ausgehen, dass ChatGPT immer Recht hat!