Damit die Züge später einmal mit hoher Geschwindigkeit durch den Tunnel fahren können, mussten die Tunnelröhren mit hoher Genauigkeit ausgebrochen werden. Das Ziel war, den Tunnel mit einer möglichst geringen Abweichung zu erstellen. Dieses Ziel haben die Geomatiker (Vermessungstechniker) erreicht: Beim Hauptdurchschlag zeigte sich, dass die Mineure von Norden und Süden her sehr präzis aufeinander zugesteuert waren. Die Abweichung betrug am Schluss in der Horizontalen nur gerade 8 Zentimeter und in der Vertikalen 1 Zentimeter – angesichts der Länge des Tunnels ein rekordverdächtiger Wert.
Die Leistung der Geomatiker ist deshalb so ausserordentlich, weil es unter Tag ja nicht so einfach ist, den Kurs genau zu halten. Im Inneren eines Berges kann die Position einer Tunnelbohrmaschine nicht mehr per GPS bestimmt werden, sondern muss durch eine komplexe Vermessung entlang der Tunnelstrecke bestimmt werden.
100'000 Kennzahlen
Als Ausgangspunkt bestimmten sie jeweils bei allen Tunneleingängen Referenzpunkte, die sie anhand von 30 weiteren Referenzpunkten im Gelände mit sehr hoher Präzision bestimmt hatten. Von diesen Ausgangspunkten aus vermassen sie dann während den Bauarbeiten den Lauf des Tunnels. Dabei setzten sie hochpräzise Messgeräte ein, etwa Laserscanner, die präzise Distanzmessungen erlauben, sowie Vermessungskreisel. Dieser basiert auf einem Kreiselkompass, der sich parallel zur Rotationsachse der Erde orientiert und so die Nord-Südrichtung auch im Erdinnern anzeigt.
Ungefähr alle 400 Meter haben die Geomatiker in der Tunnelmitte einen Messpunkt eingerichtet. Anhand dieser insgesamt rund 300 Messpunkte konnten sie erkennen, ob die Bauarbeiter den Tunnel in die richtige Richtung vorantrieben oder ob diese den Kurs korrigieren mussten. Zählt man alle Richtungs-, Distanz- und Höhenmessungen zusammen, haben Vermesser im Laufe der Jahre rund 100'000 Kennzahlen erfasst.
Besondere anspruchsvoll war die Vermessung beim Abschnitt Sedrun: Die Bauarbeiten an der Hauptröhre begannen in diesem Abschnitt an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich am Fuss eines 800 Meter tiefen vertikalen Schachts. Hätte es hier am Anfang bei der Positions- und Richtungsbestimmung nur einen kleinen Fehler gegeben, wären sich die Tunnelbauer nicht mit derart grosser Präzision begegnet.
Das Besondere an der Vermessung des Gotthard-Basistunnels war aber nicht nur, dass der Tunnel so lange war, sondern dass er sich auch tief im Erdinnern befand. Die Lotlinien, welche für die genaue Positionsbestimmung so wichtig waren, werden im Tunnel durch die unterschiedlich schweren Gesteinsschichten und durch die unregelmässig geformte Topografie des Gebirges abgelenkt. Die Messungen im Tunnel mussten daher laufend korrigiert werden. Für diese Korrektur musste das Schwerefeld entlang des Tunnels, das die genaue Richtung der Erdanziehung angibt, neu berechnet werden. Auch Abweichungen bei den optischen Messungen, die sich durch die Temperaturunterschiede im Tunnel ergaben, mussten jeweils bei der Auswertung der Daten berücksichtigt werden.
Weiträumige Überwachung
Auch nach dem Rohausbau des Tunnels hatten die Vermesser viel zu tun. Im Abstand von 50 Metern haben sie auf beiden Seiten der Tunnelröhren insgesamt 4'800 Sicherungspunkte angebracht. Diese wurden später beim Einbau der Fahrbahn als Referenzpunkte verwendet. Dadurch konnten die Schienen mit millimetergenauer Präzision verlegt werden. Auch beim nun folgenden Betrieb werden diese Punkte weiterhin gebraucht. Sie werden in regelmässigen Abständen kontrolliert, damit allfällige Verschiebungen im Tunnel rechtzeitig erkannt werden können.
Schliesslich wartete auch ausserhalb des Tunnels viel Arbeit auf die Geomatiker. Da es bei anderen Tunnelbauten teilweise unerwartete Geländeverschiebungen an der Erdoberfläche gab, wurde auch beim Gotthard-Basistunnel entlang der Tunnelstrecke an der Erdoberfläche sorgfältig überwacht, ob es Geländeverschiebungen gab. Insbesondere bei den drei Staumauern Curnera, Nalps und Sta. Maria südlich des Oberalppasses kontrollierten die Vermesser laufend, ob es kritischen Absenkungen gab. Dabei zeigte sich beispielsweise, dass sich das Gebiet um den Lai di Nalps im Zuge des Tunnelbaus um insgesamt 45 Millimeter senkte. Da sich das Gelände jedoch weiträumig bewegte, stellten diese Veränderungen nie ein Sicherheitsrisiko dar.