Ich bin auf dem Land in Flumenthal im Kanton Solothurn aufgewachsen. Meine Eltern führten zwar keinen eigenen Bauernhof, aber viele unserer Nachbarn waren Bauern. Ich wuchs mit Pferden auf, war viel draussen und stand oft im Stall. Schon während meiner Schulzeit wusste ich, dass ich später einmal mit Tieren arbeiten möchte. Nach der Matura begann ich das Umweltingenieur-Studium an der ETH Lausanne. Während dem Grundstudium stehen dort Mathematik, Biologie, Chemie und Physik im Vordergrund. Das war sehr theoretisch und ich merkte bald, dass mir der Bezug zur Natur und zu den Tieren fehlte. Ich wollte viel näher an der Praxis sein und mit den Händen anpacken.
Vorstudienpraktikum auf dem Bauernhof
Nach einem Jahr in Lausanne entschied ich mich, für ein Studium in Agronomie an die Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen zu wechseln. Was mir dabei besonders gefiel: Für die Zulassung wird ein sogenanntes Vorstudienpraktikum vorausgesetzt, also ein Jahr Mitarbeit auf einem Bauernhof. Ich fand einen Praktikumsplatz auf einem Hof in Noflen bei Bern. Zusammen mit einem Lehrling half ich der Bauerfamilie bei sämtlichen Arbeiten auf dem Hof: melken, misten, säen und ernten. Ich lernte auch mit grossen Maschinen umzugehen, wie zum Beispiel Traktoren. Ich war jeweils elf Tage auf dem Hof und hatte danach drei Tage frei. Um fünf Uhr war Tagwacht und oft arbeiteten wir 60 Stunden die Woche. Im Winter, wenn es draussen dunkel und kalt war, kam ich manchmal an meine Grenzen. Trotzdem schwärme ich bis heute von diesem Jahr und bin davon überzeugt, dass dies die beste Lehrzeit meines Lebens war. Ich lernte das Bauernleben von A bis Z kennen. Für meine heutige Zusammenarbeit mit Landwirten ist dies ein grosser Vorteil, denn ich weiss, wovon sie sprechen.
Viele meiner Klassenkollegen und -kolleginnen im Bachelor-Studium waren selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatten mehr Erfahrung im Umgang mit Tieren und der Landpflege als ich. Dafür konnten sie von meinem Wissen in Biologie, Chemie und Mathematik profitieren. Der grösste Teil des Studiums findet zwar wie üblich im Klassenzimmer statt. Wir unternahmen aber auch Betriebsexkursionen und erledigten Gruppenaufträge in Zusammenarbeit mit Landwirten. Zum Beispiel beschäftigte ich mich während einer Semesterarbeit mit Durchfallerkrankungen bei Kälbern oder berechnete für meinen Praktikumsbetrieb einen Fütterungsplan. Ab dem zweiten Jahr vertiefen sich die Studierenden in einem Bereich ihrer Wahl, darunter Agrarwirtschaft, internationale Landwirtschaft, Pflanzenwissenschaften, Pferdewissenschaften oder Nutztierwissenschaften. Für mich war von Anfang an klar, dass ich Letzteres als Spezialisierung wählen würde.
Vorträge und Beratung im Futterbau
Nach dem Studienabschluss arbeitete ich an der HAFL befristet als Projektassistentin. Nach einem Jahr wechselte ich ans «Landwirtschaftliche Zentrum SG» in Flawil. Dort arbeitete ich als Lehrerin und Beraterin im Bereich Futterbau und Futterkonservierung. Unter anderem beantwortete ich Anfragen von Bauern, denen Mäuse oder Wildtiere grosse Schäden auf den Wiesen verursacht hatten. Oder ich beurteilte die ökologische Qualität von Wiesen und Weiden mit Hilfe von speziellen Zeigerpflanzen. Das entsprach zwar nicht meiner Spezialisierung in Nutztierwissenschaften, aber da wir uns im Studium in allen Bereichen der Agronomie grundlegende Kenntnisse angeeignet hatten, konnte ich mich rasch in den Themenbereich Futterbau einarbeiten.
Nach drei Jahren Praxiserfahrung entschied ich mich 2012, den Master in "Life Sciences" im Teilzeitstudium zu absolvieren – wiederum an der HAFL. Neben dem Studium arbeite ich nun noch 50 Prozent als Assistentin in Tiergesundheit und -haltung. Ich unterstütze die Dozenten, betreue Arbeiten von Studierenden, helfe die Unterrichtsunterlagen vorzubereiten und unterrichte einige Themenblöcke sogar selber. In meiner Masterarbeit befasse ich mich mit dem Thema Tierwohl im Milchviehstall. Die Basis dieser Arbeit bildet eine fundierte Literaturrecherche nach wissenschaftlichen Publikationen zu meinem Thema. Danach besichtige ich verschiedene Betriebe und befrage die Bauern, um herauszufinden, wie man die Tiergesundheit und das Wohl der Tiere im Stall kostengünstig optimieren könnte. Zum Beispiel mit Massnahmen zur Verbesserung des Stallklimas, vor allem der Luft und des Lichts, oder durch Verbesserungen im Liegebereich der Tiere. Denn am Ende gilt: Sind die Kühe glücklich, ist es der Landwirt auch. Und wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, finde ich das natürlich grossartig.
Quelle: Technoscope 3/13: Agrartechnik. Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche