Seit ihrer Entdeckung hat die CRISPR/Cas-Methode in kürzester Zeit die Labore der ganzen Welt erobert. Es handelt sich um ein molekularbiologisches Werkzeug, das sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung grosse Dienste leistet. (Wie sie funktioniert kannst du im Artikel "CRISPR/Cas9 als molekularbiologische Methode: Wie funktioniert sie?" nachlesen.) Die Entwicklungen sind so rasant, dass man kaum Schritt halten kann und regelmässig wird über neue Anwendungsmöglichkeiten berichtet. Sie betreffen Pflanzen, Tiere und sogar Menschen.
Molekularbiologie
Im Labor kann CRISPR/Cas eingesetzt werden, um die Funktion von Proteinen schneller herauszufinden, als es mit herkömmlichen Methoden bisher der Fall war. Die DNA vieler Organismen ist zwar bereits sequenziert, aber es ist nur zum Teil bekannt, wofür sie kodiert. Durch Mutation definierter DNA-Abschnitte, können die Forscher Gene inaktivieren und somit Schlüsse über die Funktion der Proteine in der Zelle ziehen.
Ausserdem kann die Schneidefunktion von Cas9 inhibiert werden. Wird das Enzym dann mit einem fluoreszierenden Protein gekoppelt, kann die Bewegung von Chromosomen im Zellkern beobachten werden. Werden stattdessen Aktivierungs- oder Repressorproteine verwendet, können Gene reversibel ein- bzw. ausgeschaltet werden. Eine weitere Variante koppelt das deaktivierte Cas9 mit Cytidin-Deaminasen. Dieser Proteinkomplex kann aus einem C ein T machen, ohne einen Doppelstrangbruch einzuführen oder eine Leserasterverschiebung zu bewirken. Das Gen bleibt also aktiv und es ist möglich ganze Bibliotheken von genetischen Varianten herzustellen und mittels Selektion neue Phänotypen zu erhalten.
Pflanzenzucht
Die Optimierung von Nutzpflanzen, welche die Grundnahrung für Menschen und Tiere und somit ein wirtschaftlich wichtiges Produkt darstellen, ist seit Jahrzehnten Forschungsgegenstand der Gentechnik. Gerade solche riesigen Populationen von hochgezüchteten Pflanzen können bei einem Schädlingsbefall oder bei ungünstigen Wachstumsbedingungen leichter Schaden nehmen. Die Gentechnik versucht Pflanzen zu entwickeln, die z. B. gegen eine Pilzart resistent sind oder bei schlechten Witterungs- oder Klimabedingungen besser wachsen. Auch die Fruchtgrösse oder der Nährstoffgehalt einer Pflanze könnte verbessert werden. So gibt es bereits Ansätze, um z. B. Tomaten mit längerer Lagerungszeit, Reis mit reduziertem Arsengehalt oder Gluten-reduziertes Getreide zu entwickeln, ebenso wie trockenheitstolerantes Getreide oder virustolerante Gurken.
Mit CRISPR/Cas kann das Genom einer Pflanze verändert werden, ohne Fremdgene einzuführen wie es bei transgenen Pflanzen der Fall ist. Allerdings wird die DNA, die für die CRISPR/Cas-Maschinerie kodiert, im Genom der Pflanze integriert (mittels Agrobakterium-Gentransfer), so dass sie in der Pflanzenzelle exprimiert wird. Nachdem die neuen Pflanzen entstanden sind, werden sie rückgekreuzt, um diese fremde DNA herauszukreuzen. Ein anderer Ansatz (RNP, Ribonukleoproteine) in Entwicklung führt das bereits zusammengesetzte CRISPR/Cas-System in die Zellen ein, so dass dieser Rückkreuzungsschritt nicht mehr notwendig ist.
Der Anbau und die Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen sind in der Schweiz und anderen Ländern streng reguliert. Mehr zur Regulierung findest du im Kapitel "Die CRISPR/Cas-Methode: Fragen und Regeln".
Mehr zum Thema Gentechnik bei Nutzpflanzen kannst du im Artikel "Gentechnische Methoden – früher und heute" lesen.
Tierzucht
Bei Tieren findet CRISPR/Cas Anwendung in der Entwicklung von Therapien oder um die Funktion von Genen im Tiermodel zu untersuchen. Aber auch zur Veränderung von Eigenschaften von Nutztieren wird es vermehrt eingesetzt. Ziele dabei sind eine höhere Produktivität, ein verbessertes Produkt oder die Resistenz gegen Krankheitserreger. So hat eine australische Biotechfirma eine auf CRISPR/Cas-basierte Methode entwickelt, mit der das Geschlecht eines Hühnerembryos bereits im frisch gelegten Ei erkannt werden kann. Die Methode könnte eine Alternative zur gängigen Praxis werden, das Geschlecht erst bei frisch ausgeschlüpften Küken zu bestimmen und die männlichen – und somit für die Ei-Industrie unbrauchbaren – zu töten.
In der Schweiz dürfen gemäss dem Gentechnikgesetz gentechnisch veränderte Wirbeltiere nur für Zwecke der Forschung, Therapie und Diagnostik an Menschen oder Tieren erzeugt und in Verkehr gebracht werden.