Tiere & Pflanzen

Die Suche nach dem perfekten Apfel

Die neue Apfelsorte "Galiwa"

Die süsse, schorfresistente Apfelsorte „Galiwa“ von Agroscope. Bild: Agroscope Changins-Wädenswil

Die Konsumenten stellen hohe Ansprüche an Äpfel. Und auch die Landwirte haben ihre spezifischen Wünsche. Wenn die Züchter neue Sorten kreieren, versuchen sie, all diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Dazu brauchen sie vor allem eines: Viel Geduld.

Knackig soll er sein, saftig und nicht zu sauer, mit einer schönen roten Farbe und gut haltbar, auch bei Zimmertemperatur: Das sind die Ansprüche, welche die Konsumentinnen und Konsumenten heute an einen Apfel stellen. Auch die Landwirte haben ihre Wünsche: Sie möchten, dass ihre Apfelbäume gegen Krankheiten resistent sind und dass sie jedes Jahr regelmässig eine gute Menge an Früchten hervorbringen.

10 000 Blüten bestäubt

Eine Apfelsorte zu züchten, die allen Ansprüchen gerecht wird, das ist das grosse Ziel des Apfelzuchtteams an der Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil. Mit der neuen Sorte „Galiwa“ gelang es den Forschenden, einen Apfel zu züchten, der ähnlich süss ist wie der beliebte „Gala“, aber viel resistenter gegen den Schorfpilz und sich deshalb besser für den Bioanbau eignet. Bis es soweit war, mussten sich die Forschenden allerdings gedulden: 20 Jahre harte Arbeit stecken in der neuen Züchtung.

Eine neue Apfelsorte zu züchten, ist ein äusserst aufwändiges Verfahren. Es beginnt damit, dass man bestimmte Zuchtziele festlegt. Im Falle des Galiwa eben: Einen süssen Geschmack und eine hohe Resistenz gegen Schorf. Anhand solcher Ziele überlegen sich die Forscher dann, welche bestehenden Apfelsorten sie miteinander kreuzen könnten. In akribischer Handarbeit werden in Wädenswil jedes Jahr rund 10 000 Blüten einzeln bestäubt, an Ästen, die dazu sorgfältig eingepackt werden, damit der gewünschte Blütenstaub nicht durch Insekten durcheinander gebracht wird.

Äpfel einer neu gezüchteten Sorte im Test

Sobald die Neuzüchtungen die ersten Früchte tragen, werden sie geerntet und bewertet: Wichtige Eigenschaften wie Grösse, Farbanteil, Form, Reifezustand und Inhaltsstoffe werden erhoben. Bild: SATW / Franz Meier

Die Kerne der Früchte, die aus diesen Blüten entstehen, lässt man im kommenden Frühjahr in einer Saatschale auskeimen. Potenziell könnte jeder dieser Keimlinge eine neue Apfelsorte sein. Doch der grösste Teil von ihnen fällt schon beim ersten Test aus dem Rennen, weil sie gegen Krankheitserreger zu wenig resistent sind. Von den 600 bis 1000 Pflanzen, welche die erste Runde überstehen, wird durch Aufpfropfen je ein Baum erzeugt. Die jungen Bäume lässt man danach wachsen, bis sie die ersten Früchte tragen. Diese werden von Forschenden wie Simone Schütz, Umweltingenieurin FH, genau unter die Lupe genommen. Nur diejenigen Bäume, deren Früchte punkto Geschmack und Lagerfähigkeit überzeugen, schaffen es in die nächste Runde. In der Baumschule werden die Favoriten an verschiedenen Orten vermehrt, um sie noch umfassender zu beurteilen in Bezug auf den Ertrag, die Fruchtqualität und die Lagerung. Immer mehr Neuzüchtungen werden im Laufe der Zeit aussortiert, weil sie den Ansprüchen nicht genügen, bis am Ende – nach etlichen Jahren – vielleicht eine Sorte übrig bleibt, die den ursprünglichen Zielen entspricht.

Jeder Apfel hat seine Macken

Doch auch wenn es eine neue Sorte soweit geschafft hat wie der Galiwa, sind die Züchter noch nicht am Ziel. Zurzeit wird die neue Sorte in Pilotanlagen im Wallis und im Aargau getestet. Zusammen mit enem Grossverteiler sind die Forscher daran, die Markttauglichkeit des neuen Apfels abzuklären. „Der Galiwa ist eine interessante Sorte“ erklärt Apfelzücher Markus Kellerhals. „Aber er hat auch seine Macken. Ein Nachteil ist zum Beispiel, dass nicht alle Früchte auf einmal geerntet werden können. Das bedeutet für den Landwirt einen Mehraufwand.“

Zu guter Letzt muss der Apfel noch unter die Leute gebracht werden: Damit die neue Sorte bei den Konsumenten Anklang findet, braucht es eine gezielte Vermarktung. „Von alleine schafft es eine neue Sorte heute nicht mehr in die Verkaufsregale“, stellt Kellerhals fest. Er als Züchter hat damit allerdings nichts mehr zu tun. „Diese Aufgabe haben wir an eine spezialisierte Partnerfirma übertragen.“

Wertvolle alte Sorten

Wenn die Züchter neue Obst- und Gemüsesorten hervorbringen, dann greifen sie mitunter gezielt auf alte Sorten zurück, die heute kaum noch angebaut werden. Einige dieser traditionellen Sorten besitzen besonders interessante Eigenschaften. So weisen verschiedene alte Apfelsorten eine höhere Robustheit gegenüber der gefürchteten Bakterienkrankheit Feuerbrand auf, der in den letzten Jahren viele Obstbäume zum Opfer fielen. Auch bei der Entwicklung von Früchten, die von Menschen mit Allergien gegessen werden können, werden Züchter im nationalen Obstsorteninventar fündig. Dort sind über 1300 einheimische Apfelsorten registriert.

Bereits seit mehreren Jahren unterstützt der Bund zusammen mit privaten Partnern wie „Fructus“ oder „Pro Specie Rara“ die Erhaltung von alten Arten. Im Rahmen eines nationalen Aktionsplans werden die einheimischen Obstsorten identifiziert und in Sammlungen gezielt kultiviert, so dass sie langfristig erhalten werden können.

Probenahme in der Obstplantage

Die Agrarwissenschafterin Jennifer Gassmann arbeitet in einem Projekt zur Beschreibung der Obstsortenvielfalt. In der Obstplantage von Agroscope sammelt sie Blattproben für die molekulargenetische Analyse der Schweizer Apfelsorten. Bild: SATW / Franz Meier

Erstellt: 31.01.2014
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