Vieles, was für uns selbstverständlich zum Bedarf zum Spielen, Sport treiben oder Kochen gehört, besteht aus Kunststoff und wurde zum Teil bereits in den 1950er Jahren erfunden. 1955 produzierte Steiff den ersten Teddybären aus Kunstfaser. Der Hula-Hoop-Reifen aus Plastik kam 1957 auf den Markt. Kurz darauf, im Jahr 1958, wurde das erste Patent für den Legostein eingereicht und die Beliebtheit dieses Spielzeugs hält bis heute an. Noch ein Jahr später gelang der Amerikanerin Ruth Handler die Markteinführung der ersten Barbie-Puppe und schon bald darauf wurde der erste aufblasbare PVC-Sessel designt.
Lies hier den ersten Teil der Geschichte der Kunststoffe.
Freizeit aus Plastik
PVC heisst ausgeschrieben Polyvinyl-Chlorid und ist der drittmeist gebrauchte Kunststoff weltweit. Dies hat PVC seinen vielen positiven Eigenschaften zu verdanken. Beispielsweise ist es extrem günstig herzustellen, kann von der Sonne nicht zersetzt werden, ebenso wenig von Wasser oder sogar Salzwasser. Dies führt automatisch zur Verwendung von PVC für Gartenmöbel, Luftmatratzen, Plakate, oder Bodenbeläge. Sogar in der Pyrotechnik ist PVC ein beliebter Stoff, denn durch die Freisetzung des Chlors in der Verbindung intensiviert sich die Farbe der Feuerwerkskörper beträchtlich. PVC wurde bereits im 19. Jahrhundert entdeckt, 1912 patentiert.
Synthetische Kunststoffe hatten schon längst die Welt erobert, als Anfang der 1960er Jahre ein neues, von Mitte der 1980er an flächendeckend benutztes, Produkt auftauchte: die Polyethylentüte, besser bekannt als … das Plastiksäckli. Obwohl die praktischen Eigenschaften der Plastiktüte unbestritten sind, führte deren unkontrollierte Benutzung mit Folgen für die Umwelt zu einschränkenden Massnahmen. Im Schweizer Detailhandel soll es ab Ende 2020 sowohl Einweg- als auch Mehrweg-Plastiksäcke nur noch gegen Bezahlung geben.
Kunststoffe eroberten sogar den Weltraum, als 1969 die erste USA-Flagge aus Nylon auf die Mondoberfläche gesteckt wurde. 2012 machte eine Mondsonde Fotos, auf denen die Flaggen noch zu sehen sind, wenn man auch davon ausgeht, dass sie sich aufgrund der starken UV-Strahlung in Zersetzung befinden.
1976 erreicht Plastik einen Höhepunkt in seiner Erfolgsgeschichte und wird zum am meisten genutzten Material auf der Welt.
Kunststoffe für die moderne Wissenschaft
Die Entwicklung weiterer synthetischer Materialien, Produktionsverfahren und Kunststoffartikel blieb ungebrochen und ermöglichte auch grosse Fortschritte in anderen Forschungsbereichen. Die moderne Technik wäre ohne die Verwendung von Kunststoffen nicht vorstellbar und viele wissenschaftliche Meilensteine sind ihnen zu verdanken. Das erste dauerhafte Herzimplantat, das bereits 1982 einem Menschen implantiert wurde, bestand hauptsächlich aus Polyurethan. Mobiltelefone bestehen zu 56% aus Kunststoffen und in den Raketen und Raumstationen der NASA sind verschiedene Formen von PET, PVC und Co. verbaut.
Was bringt die Zukunft?
Aktuelle Forschungsprojekte sind so vielfältig wie die Polymere selbst. In der Medizin zum Beispiel wird an "künstlichem Blut" geforscht – Polymeren, die wie Hämoglobin Sauerstoff binden und abgeben können –, implantierbare Polymere zur gezielten Wirkstofffreisetzung werden für neurologische Erkrankungen wie Epilepsie oder Parkinson entwickelt und auch das 3D-Drucken von Ersatzorganen wie Leber oder Nieren wird erforscht. Solarzellen aus Polymeren sollen eine leichte, günstige Alternative für traditionelle Solarzellen werden, organische Leuchtdioden auf Kunststofffolien sollen elektronische Geräte mit flexiblen Bildschirmen ermöglichen und fahrerlose Autos sollen komplett aus Plastikelementen bestehen.
Es scheint, als wäre jeder erdenkliche Zweck mit dem passenden Kunststoff erfüllbar. Tatsächlich würde ohne Kunststoffe heutzutage wenig funktionieren und der konstante technische Fortschritt ist auf diese vielseitigen Materialien angewiesen. Allerdings verlangt die Rohstoff- und Umweltproblematik neue, nachhaltige Lösungen. Die produzierte und verbrauchte Menge an Kunststoff lag im Jahr 2015 gemäss einer Studie1 aus den USA bei 380 Mio. Tonnen weltweit, 42% davon sollen auf Verpackungen entfallen sein, also hauptsächlich auf Kunststoffen, die nur für kurze Zeit verwendet werden und dann im Müll landen. Politik und Industrie versuchen dem Problem mittels Regulierungen wie dem Verbot mancher Einwegprodukte oder der Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffe und verbesserter Entsorgungs- und Recyclingsysteme beizukommen. Aber auch als Einzelperson hat man einen relativ grossen Spielraum, seinen eigenen Kunststoffkonsum zu überdenken und zu reduzieren. Weniger Konsum bedeutet weniger Abfall. Vielleicht ist es Zeit, Kunststoffen wieder die ihnen gebührende Wertschätzung entgegenzubringen und sie nicht als Wegwerfprodukte zu betrachten, sondern als technisch hochentwickelte Materialien, hinter denen jahrzehntelange Entwicklungsbemühungen und Innovationen stehen.