Keine Wunderlösung ...
Aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen muss auch eine andere Seite betrachtet werden: Zahlreiche Viehzüchter weltweit würden ihren Beruf verlieren oder müssten sich neu orientieren. Zudem ist Viehzucht ist nicht gleich Viehzucht: Während industrielle Massentierhaltung nicht als nachhaltig betrachtet werden kann, liegt der Fall bei extensiven Formen der Landwirtschaft anders. Auf Böden und in Geländeformen, die beispielsweise nicht zur Getreideproduktion genutzt werden können, ist die Haltung von Weidetieren traditionellerweise oft die einzige Form der landwirtschaftlichen Nutzung. Sie trägt zur natürlichen Düngung dieser Böden bei und erhält zum Beispiel artenreiche Bergwiesen, die sonst von Sträuchern überwachsen würden.
Auch die Produktion des Laborfleischs selbst wird kritisch betrachtet. Problematisch erscheinen insbesondere die Inhaltsstoffe des benötigten Kulturmediums und die Anpassung der Anlagen auf eine Grösse, welche die Produktion von wirtschaftlich sinnvollen Mengen ermöglicht. Es ist ganz klar, dass der Preis von über 300'000$, der für den Hamburger von 2013 veranschlagt wurde, niemals marktfähig wäre!
In allen Bereichen sind jedoch in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte erzielt worden. Ein Haupt-Kritikpunkt an der Zusammensetzung des Nährmediums für die Zellkulturen war lange, dass Fötales Kälberserum als Zutat benötigt wurde, welches nicht ohne die Schlachtung von Kühen und Kälbern gewonnen werden kann. In jahrelanger Forschung konnte inzwischen jedoch ein Rezept entwickelt werden, das ohne Kälberserum auskommt; es wurde 2022 in der Fachzeitschrift Nature Food veröffentlicht. Auch die Zugabe von Antibiotika zum Medium ist im Normalbetrieb nicht nötig, wenn die Produktionskreisläufe geschlossen sind und die Zellen so in einer sterilen Umgebung gezüchtet werden.
Die Kosten für die Produktion konnten in den letzten Jahren ebenfalls kontinuierlich gesenkt werden. Auch wenn noch längst nicht alle herkömmlichen Fleischsorten zufriedenstellend und zu erschwinglichen Preisen hergestellt werden können, scheint es immer realistischer, dass die Auswahl in naher Zukunft grösser wird. In Singapur wurden 2020 und 2021 bereits die ersten Produkte aus Zellkulturfleisch als Lebensmittel zugelassen: Chicken Nuggets und Pouletbrust.
... aber vielleicht schon bald eine interessante Alternative?
Damit stellt sich nun auch die Frage, wie es mit der Akzeptanz von Fleisch aus der Zellkultur bei den Konsumentinnen und Konsumenten aussieht: Wärst du neugierig und würdest einen Hamburger, Chicken Nuggets oder sogar ein Steak probieren, das im Labor produziert wurde? Oder kommt das für dich nicht in Frage?
Ganz generell können wir aber natürlich mit unserem Verhalten im Alltag viel bewirken: Wird Fleisch wieder als Spezialität und weniger als Massenware betrachtet und weniger konsumiert, muss auch weniger davon produziert werden.