Erde & Umwelt

Eisbohrkerne verraten uns das Klima der Vergangenheit

Eisbohrkerne

Eisbohrkerne im National Ice Core Lab in Denver (USA). Bild: Wikimedia commons

Das Eis der Arktis und Antarktis liefert uns wertvolle Information über die Klimaschwankungen der Vergangenheit. Wie werden diese Informationen genutzt? Und wieso könnten sie bald verloren gehen?

Das Wetter von heute und damals

Täglich messen Wetterstationen diverse atmosphärische Kennwerte (Lufttemperatur, atmosphärischer Druck, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Niederschlag etc.), die für Wetterberichte analysiert werden. Die Meteorologie interessiert sich also für den kurzzeitigen Zustand der Atmosphäre an einem gegebenen Ort zu einer gegebenen Zeit. Die statistische Analyse meteorologischer Daten über mehrere Jahrzehnte hinweg gibt uns hingegen einen Gesamteindruck der globalen Zustände der Atmosphäre; man spricht dabei auch von der Klimatologie oder Klimaforschung. Die Paläoklimaforschung interessiert sich für die Entwicklung des Klimas im Verlaufe von Tausenden bis Millionen von Jahren.

Im Eis erstarrte Klima-Archive

Zeugen vergangener Klimaperioden finden sich im Polareis. Die Polkappen bildeten sich aus Schneefällen, die sich über die Jahre hinweg ansammelten und zu Eis wurden. Im Verlauf ihrer Entstehung wurden Luftblasen, Sedimente, Steine und bestimmte radioaktive Substanzen im Eis eingeschlossen. All diese Partikel werden durch das Eis in intaktem Zustand konserviert; sie wiederspiegeln damit Charakteristiken der Atmosphäre und Umwelt ihrer Zeitepoche. Das Polareis enthält also zahlreiche Archive über das Klima der Vergangenheit!

Eisbohrkern

Ein frisch geschnittener Eisbohrkern aus der Bohrung EastGRIO in Grönland. Bild: Helle Astrid Kjær / Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Die Erforschung des Eises

Die Polkappen Grönlands und der Antarktis bestehen mehrheitlich aus der Kryosphäre und machen mehr als 90% des Frischwasservolumens der Erde aus. Die äusseren Schichten der Polkappen sind neuer, die tieferliegenden älter. Je tiefer das Eis reicht, desto weiter lässt es uns also in die Vergangenheit blicken.

Mithilfe ausgeklügelter Bohrtechniken können Glaziologen aus dem Eis, das Tausende von Metern dick ist, lange Säulen ausbohren; das sind die sogenannten Eisbohrkerne.

Eisbohrkern von 1 m Länge

Ein Eisbohrkern von 1 m Länge (dies entspricht etwa 38 Jahren). Er stammt aus einer Tiefe von 1837 m und aus einer Zeit vor 16’250 Jahren, also vom Ende der letzten Eiszeit. Die erkennbaren Streifen entsprechen den aufeinanderfolgenden Sommern und Wintern. Auf dem vergrösserten Teil des Bildes sind eingeschlossene Gasblasen erkennbar. Bild abgeändert von Ice Core Laboratory/Wikimedia Commons

Analysiert man einen Eisbohrkern, erkennt man von Auge den Unterschied zwischen dunkleren Schichten, die den Sommern entsprechen, und helleren Schichten, die den Wintern entsprechen. Eisbohrkerne lassen uns eine jeweilige Zeitspanne also relativ präzise bestimmen. Je tiefer man jedoch in die Eisschichten vordringt, desto unpräziser wird die Zeitbestimmung, da die starke Absenkung des Eises die saisonalen Unterschiede verwässert.

Die Zusammensetzung des in den Eisproben eingeschlossenen Gases und Staubs sowie deren Konzentration geben Aufschluss über die Ursache ihrer Schwankungen in der Atmosphäre. Dabei handelt es sich um Sauerstoffisotope (siehe Highlight-Box „Das isotopische Thermometer“) oder die Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4). Die Informationen korrelieren mit Modellen zum Meereszustand, Schwankungen der Sonnenaktivität und Vulkanausbrüchen einer gegebenen Zeitperiode.

Analyse von Treibhausgasen in Eisbohrkernen

Analyse der Temperatur und Konzentration von Treibhausgasen. Die Konzentrationen in ppmv (Millionstel, abgek. für „Parts per Million by Volume“) und ppbv (Milliardstel oder „Parts per Billion by Volume“) sind relativ zum Volumen. Bild: J.-M Barnola

Auf der Suche nach dem Wetter der Vergangenheit

Die 1998 begonnene Bohrung bei Vostok in der Antarktis (mit einer Tiefe von über 2600 Metern) ermöglicht uns den Zugang zu 420’000 Jahre altem Eis. Die Analysen von Vostok zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen der Konzentration von Treibhausgasen und Temperaturschwankungen an der Erdoberfläche.

Die nebenstehende Abbildung zeigt, dass im Verlauf der letzten 400’000 Jahre ein direkter Zusammenhang zwischen den Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Temperaturschwankungen. Seit 1960 schiesst die Kohlenstoffdioxid-Konzentration aufgrund menschlicher Aktivitäten drastisch in die Höhe.

Ein gefährdetes Gedächtnis

Die im Eis enthaltenen Informationen tragen zu einem besseren Verständnis dafür bei, welche Mechanismen das Klima unserer Erde mitbestimmen. Allerdings schmelzen die Polkappen und Gletscher immer schneller. Neben all den bereits bekannten Auswirkungen auf die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaft bedroht das Abschmelzen des Eises auch das in ihm eingeschlossene Klimagedächtnis. Damit diese Archive erhalten bleiben, haben Glaziologen Bohrprogramme für eine weltweite Sammlung von Eisproben gestartet.

Das isotopische Thermometer

Wie können wir vergangene Temperaturen mithilfe der Eisbohrkerne bestimmen? Dazu analysiert man die im Eis enthaltenen Sauerstoffisotope. In der Natur kommt Sauerstoff in den isotopischen Formen 16O (99,76 %), 17O (0.04 %) und 18O (0.20 %) vor. 16O Sauerstoff besteht in seinem Atomkern aus 8 Protonen und 8 Neutronen. Das Isotop 18O ist mit 8 Protonen und 10 Neutronen schwerer und benötigt daher mehr Energie, um zu verdampfen und im Polareis eingeschlossen zu werden. Enthält Eis viel 18O, stammt es aus einer warmen Zeitperiode, enthält es nur wenig 18O, stammt es aus einer kühleren Zeit. Dies ist das Prinzip des isotopischen Thermometers.

Erstellt: 14.03.2018
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