Ihr Appetit ist immens: Regenwürmer verschlingen pro Tag bis zur Hälfte ihres Eigengewichts an Nahrung. Auf ihrer Menükarte stehen vor allem «Abfallprodukte» der Natur: Pflanzenreste, Ernterückstände, Laub, morsches Holz, Mist, Aas. Weil die Würmer keine Zähne haben, sind sie auf Hilfskräfte angewiesen. Erst wenn Pilze und Bakterien das organische Material zersetzt haben, können die Regenwürmer die Pflanzenreste in ihre Speiseröhre saugen. Um den Abbauprozess zu beschleunigen, haben einige Regenwürmer ein spezielles Kompostverfahren entwickelt: Sie tapezieren ihre Wohnröhren mit den Pflanzenresten, schichten Losung darüber und schaffen so ideale Lebensbedingungen für Mikroorganismen und für Pflanzenwurzeln.
Bodenkitt und Dünger
Zusammen mit dem organischen Material nehmen die Regenwürmer auch Mineralerde auf. In ihrem Darm vermischt sich dann das Ganze mit Bakterien und Pilzen. Als schlechte Futterverwerter scheiden die Regenwürmer einen grossen Teil davon unverdaut wieder aus. Die Wurmlosung ist jedoch keinesfalls wertloser «Abfall», sondern ein hochkonzentrierter Dünger, der fünfmal mehr Stickstoff, sieben Mal mehr Phosphor und elfmal mehr Kalium als die umgebende Erde enthält. Zudem finden sich in der Losung so genannte Ton-Humus-Komplexe, die wie ein Kitt wirken und den Boden vor Erosion schützen.
Ein unermüdlicher Tunnelbauer
Stetig fressend und grabend tragen die Regenwürmer zur Lockerung des Bodens bei. Bis zu 150 Gänge oder 900 Meter Röhren pro Kubikmeter finden sich in einem ungepflügten Ackerboden. Und auch im urbanen Milieu sind die «Tunnelbauer» äusserst aktiv. Der Biologe Joël Amossé von der Universität Neuenburg hat in seiner Doktorarbeit nachgewiesen, dass Regenwürmer in einem Stadtboden innerhalb von drei Monaten bis zu 2 Kilometer lange Gänge graben. Diese Tunnelsysteme sorgen für eine gute Durchlüftung und eine ideale Wasserversorgung des Erdreichs. So sickert Regenwasser schneller ein und die Gefahr, dass bei starkem Regen die oberste Schicht des Bodens weggeschwemmt wird, ist bedeutend kleiner als dort, wo es keine oder nur wenige Regenwürmer gibt.
Weniger Bodenschädlinge
Regenwürmer spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Regulation von Bodenschädlingen, weil sie nützliche Organismen wie Fadenwürmer und Pilzsporen im Boden verbreiten, die zum Beispiel Engerlinge abtöten. Auch auf Obstplantagen sind die Regenwürmer gern gesehene Gäste. Sie ziehen mit dem abgefallenen Laub auch Schadorganismen wie Apfelschorf, Rotbrenner (auf Reben) oder blattminierende Insekten in den Boden hinein.
Sogar im Tod erweisen die Regenwürmer ihre guten Dienste: Sie sind wichtige Eiweisslieferanten für Vögel, Spitzmäuse, Dachse und Ameisen, und sie stärken mit ihrem Stickstoffeintrag die Fruchtbarkeit des Bodens: Ein toter Regenwurm enthält bis zu 10 Milligramm Stickstoff. Auf einem gesunden Wiesenboden mit 400 Würmern pro Quadratmeter werden so 30 bis 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektare und Jahr freigesetzt. Das entspricht ungefähr der Stickstoffdüngung einer wenig intensiv bewirtschafteten Wiese.