Seit zweieinhalb Jahren bin ich Gesamtprojektleiter bei der SBB und für die Bahnausbauten vor dem Nordportal des Gotthard-Basistunnels verantwortlich. Der Tunnel wird nicht von uns, sondern von unserem Tochterunternehmen "Alptransit Gotthard AG" gebaut, aber die SBB ist für die Erschliessung verantwortlich. Ich bin an der Schnittstelle zwischen den beiden Unternehmen und stelle sicher, dass wir immer vom Gleichen sprechen. Zudem koordiniere ich Termine und prüfe Kosten und die Qualität der Arbeiten. Dafür treffe ich mich regelmässig mit den Verantwortlichen für Teilprojekte, wie zum Beispiel den Tiefbau, die Fahrbahn oder die Fahrleitungen. Sie sind die Experten auf ihrem Gebiet und kennen die technischen Details ihrer Arbeit viel besser als ich. Doch wenn es zu Problemen oder Änderungen in einem Teilbereich kommt, bin ich dafür verantwortlich, dass alle anderen Termine und Arbeiten entsprechend angepasst werden.
Eine aktuelle Herausforderung ist zum Beispiel die moderne Führerstandsignalisierung ETCS L2. Dabei werden die Signalbilder, zum Beispiel ein Rot- oder Grünlicht, nicht mehr entlang der Zugstrecke signalisiert, sondern direkt zum Lokführer in die Kabine gefunkt. Das ist ein Technologiesprung, der sehr viel Abstimmung unter den Involvierten erfordert, damit die Sicherheit am Ende lückenlos gewährleistet ist. Ein anderes Beispiel: Wenn wir einen neuen Weichentyp in unser Netz einbinden und dieser Störungen verursacht, dann heisst es plötzlich: "Manetsch, schau, dass das funktioniert." Dann sitze ich mit den Experten zusammen und diskutiere, wie sich das Problem schnellstmöglich beheben lässt. In solchen Situationen sind Überstunden keine Seltenheit.
Wichtiges von Unwichtigem trennen
Obschon ich ursprünglich ein Studium als Maschinenbauingenieur absolviert habe, kümmere ich mich bei der SBB vor allem um Managementaufgaben. Trotzdem hilft mir mein Studium bis heute, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, rasch Lösungen für technische Probleme zu erarbeiten und bei Fachspezialisten die richtigen Fragen zu stellen. Technik und Maschinen haben mich schon früh fasziniert. Als Kind habe ich oft Plastikmodelle von Flugzeugen zusammengebaut und wollte unbedingt verstehen, wie ein solches Ding funktioniert. Später im Gymnasium haben mich vor allem Mathematik und Physik begeistert. Das Schlüsselerlebnis für meine Studienwahl ereignete sich dann aber zwei Jahre vor dem Gymi-Abschluss, als ein Maschinenbaustudent der ETH zu uns kam und von seinem Studium erzählte. Danach wusste ich: Das ist es! An der ETH wurde mir aber schnell bewusst, dass ich kein klassischer Ingenieur werden möchte. Während Kollegen von mir in der Forschung und komplexen Detailberechnungen komplett aufgingen, interessierte ich mich mehr für die grossen Zusammenhänge. Darum prüfte ich bereits nach dem zweiten Studienjahr Vertiefungsmöglichkeiten im Bereich Wirtschaft und spezialisierte mich auf nachhaltige Energienutzungen.
Berufsbegleitende Managementausbildung
Meine erste längerfristige Arbeitsstelle nach dem Studium fand ich bei AAE, einem Schweizer Eisenbahnunternehmen mit einem Fuhrpark von 30 000 Güterwagen. Dort war ich vier Jahre lang als klassischer Ingenieur für den Unterhalt und die Revision der Wagen zuständig. Wir haben zum Beispiel an Prototypen getestet, wie oft wir die Wagen warten müssen, damit diese möglichst lange funktionstüchtig bleiben. Nach vier Jahren begann ich berufsbegleitend eine Zusatzausbildung, einen "Master of Advanced Studies" (MAS) in Management, Technologie und Ökonomie an der ETH Zürich. Ich arbeitete 60 Prozent in Baar und besuchte zwei Tage pro Woche Vorlesungen in Zürich. Gleich nach Abschluss des Studiums wurde bei AAE eine Stelle im Management frei, die ideal zu meinem Profil passte. Nach weiteren vier Jahren beim Unternehmen verspürte ich Lust auf eine neue Herausforderung. Dann habe ich das Inserat für meine heutige Stelle bei der SBB entdeckt und dachte mir: Das passt perfekt! Die Freude war umso grösser, als ich nach dem Stellenantritt erfuhr, dass ich im Gotthardprojekt tätig sein werde. Der Gotthard-Basistunnel ist der längste Tunnel der Welt – das ist ein Superlativ! Viele Aufgaben und Herausforderungen sind komplett neu. Das fand ich besonders motivierend! Deshalb wird die Tunneleröffnung diesen Sommer für mich ein ganz spezieller Moment sein. Bis dahin arbeiten wir noch mit Vollgas, damit unsere Züge am 1. Juni auch tatsächlich durch den Tunnel rollen werden.