Zellen & Moleküle

CRISPR/Cas: Fragen und Regeln

Apfel

Ob dieser Apfel mittels CRISPR/Cas hergestellt wurde, lässt sich nur schwer, wenn überhaupt, feststellen. Bild: CanStockPhoto

Neue Methoden bringen auch neue Herausforderungen. Als die CRISPR/Cas-Methode entdeckt wurde, begannen viele Labors sofort mit der Anwendung dieser Technik. Das hat aber gleichzeitig viele Fragen zur Ethik und Regulation der Benutzung aufgeworfen.

Technische Fragen

Obwohl die CRISPR/Cas-Methode als die präziseste unter den gentechnischen Methoden gilt, gibt es auch hier keine Garantie vor unerwünschten Nebenwirkungen, sogenannten Off-Target-Effekten. Wenn der CRISPR/Cas-Komplex eine spezifische Sequenz in der DNA erkennt (Target), ist es immer noch möglich, dass auch andere ähnliche DNA Sequenzen im Genom (Off-Target) erkannt und dementsprechend verändert werden. Solche unbeabsichtigten Veränderungen sind bei Pflanzen eher selten, beim Menschen aber könnten sie z. B. zu Krebs führen. Deshalb arbeiten Forschende daran, Methoden zu entwickeln, die Off-Targets im Voraus vorhersehen bzw. im Nachhinein detektieren können. Der Grundsatz aber wird wohl bleiben, dass – wie bei jeder anderen Technik – der Nutzen und die Risiken gegeneinander abgewogen werden müssen.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Anwendung der CRISPR/Cas-Methode am Menschen stellt das menschliche Immunsystem dar. Da Cas-Proteine bakteriellen Ursprungs sind (mehr dazu findest du im Artikel "CRISPR/Cas9 – Bakterien revolutionieren die Molekularbiologie"), könnte unser Immunsystem diese erkennen und eine Immunantwort auslösen, deren Auswirkungen noch nicht abschätzbar sind. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Forscher mehrere Variablen untersuchen wie die Methode, mit der die Therapie eingeführt wird, die Dosis, das Zielgewebe, die Berechtigung einer Immunsuppression und genetische Faktoren.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch keine Langzeiteffekte der Genomeditierung bekannt oder untersucht worden, da die Methode erst seit 2012 angewandt wird, und trotz der flächendeckenden Ausbreitung sozusagen noch in den Kinderschuhen steckt. Man wird solche Langzeituntersuchungen erst in den nächsten Jahrzehnten ansetzen und auswerten können.

Gentherapie – Auch eine Frage der Ethik

In China hat ein Forscher das Erbgut menschlicher Embryonen mittels CRISPR/Cas modifiziert und damit eine wichtige Grenze überschritten: die Manipulation der Keimbahn. Genetische Veränderungen in der Keimbahn werden auch an die Nachkommen weitergegeben und sind deshalb in vielen Ländern, auch in der Schweiz, streng verboten. Genetische Veränderungen in somatischen Zellen dagegen betreffen nur die Einzelperson und sind Forschungsgegenstand der Gentherapie (lies dazu den Artikel "CRISPR/Cas: Eine Methode, viele Anwendungen").

In der Schweiz müssen klinische Versuche der somatischen Gentherapie und Zulassungen vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic bewilligt werden. Ausserdem muss die lokale Ethikkommission den Versuchen zustimmen (mehr zum Thema Ethik findest du im Artikel "Ethik und Gentherapie").

Eine ethische Frage stellt auch die Finanzierung solcher Therapien. Sie sind sehr aufwendig und entsprechend teuer. Sollen alle Menschen das Recht auf die gleiche medizinische Versorgung haben? Darf der Markt den Preis für Medikamente bestimmen? Wie können teure Therapien fair finanziert werden? Das sind Fragen, die nicht nur die Gentechnik betreffen.

Die Frage der Erkennung

Gentechnisch veränderte Pflanzen und andere Organismen sind in der Schweiz und in der EU sehr streng reguliert. Diese Organismen müssen speziell untersucht und geprüft werden, bevor sie für den Anbau, Verkauf oder Verzehr zugelassen werden.

Die neu entwickelten gentechnischen Methoden führen zu weiteren Schwierigkeiten in diesen Regulierungen. Mit "konventionellen" gentechnischen Methoden werden in die Pflanzen fremde Gene eingeführt, was den Nachweis, ob es sich um eine gentechnisch veränderte Pflanze handelt oder nicht, vereinfacht. Die neue CRISPR/Cas-Methode dagegen ermöglicht nun nur einzelne oder wenige Basenpaare zu verändern, ohne fremde DNA in einen Organismus einzubringen. Solche einzelnen Veränderungen können in Organismen auch spontan und natürlich aufgrund externer oder interner Einflüsse auftreten. Genomeditierte Organismen können also nicht mehr von Organismen unterschieden werden, die natürliche Mutationen aufweisen. Mittels CRISPR/Cas hergestellte Pflanzen könnten also trotz Kontrollen als gentechfreie Produkte auf den Markt gelangen.

Ökologische Fragen

Weitere Fragen zur Erzeugung und Verwendung gentechnisch veränderter Organismen – unabhängig von der Methode – stellen sich hinsichtlich ihres Einflusses auf die Umwelt.

Wie verhält es sich mit ökologischen Gleichgewichten, wenn z. B. gentechnisch veränderte Pflanzen im Freien angepflanzt werden? Samen mancher Pflanzenarten können weit fliegen und die Pflanze so weiterverbreiten. Trägt die Pflanze eine Resistenz gegen ein Pflanzenschutzmittel, könnten die Konsequenzen gering sein, da in der freien Natur keine Pflanzenschutzmittel vorkommen und die Pflanze somit keinen Selektionsvorteil hätte. Trägt sie aber z. B. eine Resistenz gegen Trockenheit, könnte sie gegenüber wilden Pflanzen einen Vorteil haben und diese verdrängen. Resistenzen gegen Schädlinge könnten dazu führen, dass die Schädlinge ihrerseits Resistenzen bilden und so ein Wettrüsten mit schwer absehbaren Folgen stattfindet.

Ähnliche Fragen wirft die zurzeit erforschte Dezimierung einer gesamten Mückenart mit einem sogenannten Gene Drive-System auf, um Malaria auszurotten (s. dazu den Artikel "CRISPR/Cas: Eine Methode, viele Anwendungen"). Auch hier stellt sich die Frage des ökologischen Gleichgewichts: Welche Auswirkungen auf die Natur hat es, wenn plötzlich eine Art aus einem Ökosystem komplett verschwindet? Wiegen diese Auswirkungen mehr als die Eliminierung von Malaria, die jährlich 400'000 Menschen das Leben kostet?

Eine Frage der Einstellung?

Was wird nun als „gentechnisch verändert“ bezeichnet und was nicht? Wo zieht man die Grenze von erlaubten und unerlaubten Erbgutsveränderungen? Mit solchen Fragestellungen müssen sich Fachpersonen, die für die Gesetzgebung zuständig sind, ausgiebig beschäftigen. Verschiedene Länder folgen verschiedenen Wegen, was in einem globalisierten Markt, in dem Importe und Exporte auf der Tagesordnung stehen, die Sache zusätzlich erschwert. So spielt bei der Regulierung in Europa (Schweiz und EU) der Herstellungsprozess eines Lebensmittels eine zentrale Rolle, während in den USA vielmehr auf das eigentliche Produkt geschaut wird. Eine genomeditierte Pflanze, die in den USA relativ leicht eine Zulassung erhalten würde, müsste in Europa ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen. In der Schweiz sollen bis Ende 2019 die Bundesämter für Landwirtschaft und Umwelt eine Anpassung des Gentechnikgesetzes vorschlagen, um eventuell Änderungen vorzunehmen, welche die neue Genomeditierungsmethode berücksichtigen. Mehr Informationen zur Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln gibt es in "Fragen des Jahres 2019" vom Gene ABC.

Nutzen und Risiken gehen Hand in Hand

Die relativ junge Technik CRISPR/Cas hat in kürzester Zeit neue Möglichkeiten in der Gentherapie, Pflanzenzucht oder Tierzucht geschaffen. Gleichzeitig wurden neue ethische und regulative Fragen aufgeworfen, die in Gleichschritt mit der Entwicklung neuer Anwendungen diskutiert werden müssen. Der Nutzen dieser Technik scheint enorm zu sein, aber nur wenn korrekt angewendet und im Bewusstsein aller Nebenwirkungen. Vielversprechende Anwendungen sind in Entwicklung und müssen differenziert beurteilt werden, um Nutzen und Risiken abzuwägen.

Erstellt: 10.09.2019
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