Zahlen & Geschichte

Unsere Körpertemperatur im Wandel

Hände einer Frau zeigen ein digitales Thermometer mit der Temperatur 37°C

Unsere Organe funktionieren bei circa 37 °C am besten; heutzutage liegt die durchschnittliche Körpertemperatur des Menschen sogar noch etwa ein halbes Grad tiefer. Bild: CanStockPhoto

Unsere Körpertemperatur liegt normalerweise bei knapp 37 °C. Doch warum sind eigentlich nicht 30 oder 45 °C optimal für uns? Und warum ist unsere durchschnittliche Körpertemperatur in den letzten Jahrhunderten gesunken? Um das zu verstehen, lohnt es sich, einen Blick in unseren Körper und auf die Lebensbedingungen unserer Vorfahren zu werfen.

Im Laufe der Evolution hat sich die Körpertemperatur von Säugetieren und Vögeln etwa zwischen 35 und 39 °C eingependelt. In diesem Bereich können alle Körperfunktionen optimal ablaufen. Auch unsere hilfreichen Darmbakterien fühlen sich bei circa 37 °C am wohlsten. Wenn es im Körper weniger warm als 35 °C ist, können viele Vorgänge nicht mehr oder nicht mehr effizient genug ablaufen. Aber auch Temperaturen über 39 °C sind auf Dauer schlecht, da in den Zellen dann vermehrt sogenannte Sauerstoffradikale entstehen. Diese sind zwar wichtig, um Krankheitserreger abzuwehren, aber im Übermass schädigen sie unsere Zellen und die DNA. Nur in Ausnahmefällen erhöht unser Körper die Temperatur, was wir als Fieber bezeichnen. Dieses unterstützt die Bekämpfung von Infektionen. Jedoch wird es lebensgefährlich, wenn das Thermometer auf über 41 °C steigt, denn dann werden Proteine zerstört und verschiedene Körperfunktionen kommen zum Erliegen.

Die Menschheit kühlt sich ab

Nicht alle Menschen haben dieselbe Körpertemperatur. Es ist zum Beispiel normal, dass Kinder und Frauen eine leicht höhere Körpertemperatur haben als Männer. Zudem schwankt die Temperatur von Frauen aus hormonellen Gründen. Jedoch ist die durchschnittliche Körpertemperatur seit 1850 allgemein gesunken – bei gesunden Männern von 37.0 °C auf 36.6 °C. Auch bei Frauen ist die Temperatur um etwa 0.03 °C pro Jahrzehnt gesunken. Das haben Forschende der Stanford-Universität herausgefunden, indem sie Hunderttausende von Messwerten ab dem 19. Jahrhundert ausgewertet haben. Die genaue Ursache für den Trend ist nicht klar, jedoch könnten unsere veränderten Lebensbedingungen eine wichtige Rolle spielen.

Historischer Herd

Noch im 19. Jahrhundert konnten viele Familien aus Kostengründen nur die Küche heizen. Bild: CanStockPhoto

Als Heizen ein Luxus war

Heute verbringen wir die meiste Zeit in angenehm geheizten oder klimatisierten Räumen. Doch im 19. Jahrhundert war Heizen noch ein Luxus, weshalb oft nur die Küche geheizt wurde, jedoch nicht die Schlafräume. Erst nach und nach etablierte sich die Zentralheizung. Und auch Klimaanlagen gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Wer schon einmal gezeltet hat, weiss, wie anstrengend kalte Nächte oder extrem heisse Tage sein können. Der Körper verwendet rund 50 bis 70% der täglich aufgenommenen Energie für die Temperaturregulation. Wenn es besonders kalt oder heiss ist, muss der Körper mehr Energie zum Kühlen oder Wärmen aufwenden, was sich in einer höheren Körpertemperatur äussert. Das heisst im Umkehrschluss, dass sich der Körper bei geregelten Temperaturen weniger anstrengen muss und sich daher allgemein weniger aufheizt.

Infektionen früher und heute

Krankheiten wie Pocken, Typhus, Mumps und Cholera töteten einst Millionen von Menschen. Allein an der Pest starb im 14. Jahrhundert ein Drittel der europäischen Bevölkerung! Heute betreffen diese Krankheiten nur noch wenige Menschen, unter anderem, weil wir gelernt haben, Massnahmen zu ihrer Eindämmung zu ergreifen. Der Pesterreger, der von Rattenflöhen auf den Menschen übertragen wird, wurde zwar erst 1894 entdeckt, doch die Menschen im Mittelalter erkannten, dass man die Pest mit Isolation eindämmen konnte. Kranke wurden in spezielle Pestkrankenhäuser gebracht, und ankommende Seeleute wurden isoliert, wenn sie Symptome zeigten. Daher kommt übrigens auch der Begriff „Quarantäne“: Im 14. Jahrhundert beschloss Venedig für ankommende Schiffe eine Isolation von 40 Tagen. Aus dem Italienischen „quaranta“ entstand das Wort Quarantäne.

Mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe oder der Tuberkulose können wir durch den medizinischen Fortschritt inzwischen auch viel besser umgehen. Heute stehen uns viele Impfungen, Antibiotika und andere Medikamente zur Verfügung, um Infektionen zu bekämpfen oder vorzubeugen. Erreger mit dem Potenzial, in kurzer Zeit Hunderttausende von Menschen zu infizieren, sind sehr selten geworden – das Beispiel des neuen Coronavirus zeigt uns aber, dass sie auch heute noch auftreten können. Die höhere Körpertemperatur des Menschen in früheren Zeiten war möglicherweise hilfreich, um wiederkehrende und chronische Infektionen besser bekämpfen zu können.

Mit kühlem Kopf in den Winterschlaf

Schon gewusst? Die Körpertemperatur von Säugetieren kann während dem Winterschlaf drastisch absinken. Zum Beispiel kühlen sich Fledermäuse im Winterschlaf von circa 40 °C auf 0 bis 10 °C ab! In diesem Zustand schlägt ihr Herz sehr langsam und sie atmen nur noch etwa einmal pro Stunde. Sie leben dann ausschliesslich von ihrem Körperfett. Andere Tiere wie Braunbären halten lediglich eine Winterruhe. Dabei reduzieren sie zwar ihren Puls und ihre Atmung, ihre Körpertemperatur jedoch kaum.

Fledermaus, schlafend in einer Höhle hängend
Erstellt: 01.12.2020
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