Körper & Gesundheit

Mit mRNA gegen das Coronavirus: Eine neue Impftechnologie

Impfnadel und zwei Fläschchen mit Impfserum, beschriftet "Vaccine: SARS-CoV-2, COVID-19"

Bild: CanStockPhoto

Kaum ein Jahr ist es her, dass die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 als Bedrohung erkannt und COVID-19 zur Pandemie erklärt wurde. Und doch sind bereits mehrere Impfstoffe gegen dieses Virus entwickelt und zugelassen worden – ein Prozess, für den zu Beginn mindestens 18 Monate veranschlagt worden waren! Dies ist ein erstaunlicher und wichtiger Erfolg in einer Zeit, in der alle sehnlichst auf das Ende der Pandemie und der Einschränkungen im Alltag warten. Doch während die einen ihre Hoffnungen mit der Impfung schon fast erfüllt sehen, sind andere kritischer eingestellt. Als Grundlage der Debatte ist es wichtig zu verstehen, wie die Impfstoffe gegen das Coronavirus eigentlich funktionieren.

Die meisten Impfungen funktionieren nach dem Prinzip, dass die Antigene eines Krankheitserregers in den Körper gespritzt werden. Da man nicht den vollständigen, aktiven Erreger einsetzt, wird die geimpfte Person nicht krank. Sie reagiert aber trotzdem mit einer Immunantwort und es bildet sich ein Immungedächtnis. Gegen viele Krankheiten (wie Masern oder Röteln) verleihen heutige Impfstoffe auf diese Weise einen lebenslangen Schutz.

Weitere Informationen findest du in den Artikeln Was passiert bei einer Impfung? und Warum gibt es jedes Jahr eine neue Grippeimpfung? sowie im Comic Die Impfung.

Eine Impfung gegen das neue Coronavirus

Müsste man also nur ein Stück des Coronavirus isolieren, zum Beispiel das charakteristische Spike-Protein auf seiner Oberfläche, und hätte damit einen Impfstoff? Im Prinzip ja. Forschungslaboratorien und pharmazeutische Unternehmen auf der ganzen Welt arbeiten an verschiedenen Möglichkeiten zur Injektion von Coronavirus-Antigenen. Die ersten in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe (von den Firmen Pfizer/BioNTech bzw. Moderna) beruhen nun auf einer neuartigen Technologie: Sie sind die ersten sogenannten RNA-Impfstoffe. Ihre Funktionsweise mag wie ein biologischer Umweg erscheinen, erweist sich aber als sehr effizient.

Grundlagenforschung ermöglicht die Entwicklung neuartiger Impfstoffe

Ein Impfstoff, der auf mRNA beruht (auch Boten-RNA oder auf Englisch Messenger-RNA genannt), ist eine biotechnologische Meisterleistung. Sie wurde nur dank jahrzehntelanger Grundlagenforschung möglich. Um die Wirkungsweise dieses Impfstoffs zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, wie eine Zelle funktioniert.

Zellen stellen aufgrund der in ihrer DNA enthaltenen Informationen Millionen von Proteinen her. Das sehr lange DNA-Molekül befindet sich aufgerollt im Zellkern der Zelle, die Herstellung der Proteine erfolgt jedoch ausserhalb des Zellkerns. Daher wird die „Bauanleitung“ für das Protein in eine mRNA übersetzt und in dieser Form aus dem Zellkern entlassen. Die mRNA ist eine perfekte Kopie des kleinen Stücks DNA, das die Informationen zur Herstellung eines bestimmten Proteins enthält.

Über einen kleinen Umweg zur Immunreaktion

Der mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2 enthält Milliarden von Kopien einer ganz besonderen Boten-RNA: Sie enthält die Information, um das Spike-Protein des Coronavirus herzustellen! Anstatt also ein Antigen des Virus direkt zu injizieren, wird die mRNA injiziert, damit die Zelle selbst das Antigen erzeugt und damit die Antikörperproduktion im Körper anregt.

Aber wozu dieser Umweg? Wir wissen nicht genau, weshalb, aber diese Art von Impfstoff scheint viel effektiver darin zu sein, eine gute Immunantwort zu induzieren! Er hat in den ersten Studien eine Wirksamkeit von 95% gezeigt, was für einen Impfstoff wirklich aussergewöhnlich ist. Zum Vergleich: Der jährlich wechselnde Grippeimpfstoff ist je nach Jahr zu 40 bis 60% wirksam.

Es bleibt eine letzte Sache zu erklären: Wie konnte man die mRNA so präparieren, dass sie nach der Injektion tatsächlich in die Zellen hineingelangt und in das Spike-Protein übersetzt wird? Die Zellmembranen, welche jede Zelle umhüllt und schützt, besteht aus Lipiden (den Molekülen, aus denen Fett besteht). Daher werden die mRNA-Moleküle für den Impfstoff in winzige Lipidtröpfchen verpackt; nur so sind sie lipophil und können die Membranen unserer Zellen passieren.

Frau mit hochgerolltem Ärmel schaut zu, wie die Hand eines Arztes mit Gummihandschuh die Impfnadel am Oberarm ansetzt

Eine Impfung wird in den Deltamuskel am Oberarm gespritzt. Dazu wird die Haut desinfiziert und der Impfstoff danach mit einer sterilen Nadel eingespritzt. Bild: CanStockPhoto

Wirksamkeit und Nebenwirkungen

Die Studie zur Wirksamkeit des BioNTech-Impfstoffs schloss rund 43’000 Menschen ein. Die festgestellte Wirksamkeit von 95% bedeutet, dass von 100 geimpften Personen, die dem Virus ausgesetzt waren, nur fünf erkrankten. Es ist jedoch noch nicht ausreichend untersucht, ob die Impfung auch verhindert, dass eine geimpfte Person das Virus auf andere überträgt. Dazu wird man Folgestudien mit den geimpften Personen abwarten müssen.

Zu den Nebenwirkungen gehören Schmerzen an der Injektionsstelle, die schnell wieder verschwinden. Bei der Hälfte der Geimpften wurde ausserdem Müdigkeit beobachtet, bei 2 von 5 Personen Kopfschmerzen, bei 1 von 5 Personen Schüttelfrost und vorübergehendes Fieber. Diese Nebenwirkungen sind normal: Sie sind Zeichen dafür, dass das Immunsystem reagiert und Antikörper gegen das Spike-Protein des Coronavirus entwickelt.

Ernsthafte Nebenwirkungen wurden keine beobachtet, mit Ausnahme von sehr seltenen schweren allergischen Reaktionen.  Es wird geschätzt, dass diese nur bei 1 von 100’000 auftreten. Daher sollte man sich, wenn man unter bekannten Allergien gegen bestimmte medizinische Inhaltsstoffe leidet, vor der Impfung mit einem Arzt beraten. Eine COVID-Erkrankung birgt insbesondere für ältere oder aus anderem Grund besonders gefährdete Personen beträchtliche Risiken und kann auch bei jüngeren Menschen zu Langzeitfolgen führen, die bisher wenig erforscht sind. In diesem Zusammenhang ist die Impfung eine überaus sichere und sinnvolle Massnahme zum eigenen Schutz und trägt dazu bei, die Folgen der Pandemie für unser Gesundheits- und Sozialsystem einzudämmen. Natürlich hofft man auch, dass die Impfung eines grossen Teils der Bevölkerung die Ausbreitung des Coronavirus generell zum Stillstand bringt.

Der Weg zum zugelassenen Corona-Impfstoff

Neu entwickelte Impfstoffe müssen zahlreiche Tests bestehen, damit sichergestellt ist, dass sie gut funktionieren und keine kurz- oder langfristigen schweren Nebenwirkungen auftreten. Der Prozess von der Entwicklung bis zur Marktreife dauert in der Regel Jahre. Wie ist es möglich, dass nun schon ein knappes Jahr nach dem Auftreten von SARS-CoV-2 die ersten Menschen geimpft werden?

Angesichts der Ernsthaftigkeit der Coronavirus-Krise wurden enorme Summen in die Forschung investiert, zahlreiche Arbeitsgruppen suchten und suchen nach Impfstoffen. Ein „Vorteil“ dieser Pandemie war auch, dass so viele Testpersonen zur Verfügung standen und nach der Impfung mit dem Virus in Kontakt kamen. Normalerweise dauert es nämlich viel länger, bis man in einer Studie die Zahl der Erkrankungen bei geimpften und ungeimpften Personen vergleichen kann. Bei einer Pandemie ist das Virus überall, entsprechend hoch sind die Ansteckungsraten bei den Personen in der Studie, und man kann relativ rasch Aussagen über die die Wirksamkeit der Impfung machen.

Impfstoffe werden seit fast 100 Jahren in grossem Umfang eingesetzt. Sie haben es ermöglicht, Krankheiten mit schwerwiegenden Komplikationen (wie die Pocken, Kinderlähmung, Masern oder bestimmte Hirnhautentzündungen) einzudämmen oder sogar auszurotten, und sie haben die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit erhöht. Die Entscheidung, sich impfen zu lassen oder nicht, steht jedem frei. Doch die nun zur Verfügung stehenden Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 sind wichtiger Teil einer wirkungsvollen Strategie gegen diese Pandemie, welche zurzeit den gewohnten Lauf von Wirtschaft und Alltag weltweit einschränkt.

Erstellt: 26.01.2021
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