Tiere & Pflanzen

Die Laubverwerter

Tausendfüsser

Tausendfüsser spielen eine wichtige Rolle als Humusbildner. Bild: Fir0002/Flagstaffotos/Wikimedia Commons, CC-Lizenz

Jeder kennt ihn beim Namen, zu Gesicht bekommt man ihn aber nur selten: den Tausendfüsser. Dabei ist das träge und lichtscheue Tier in Wäldern und im Garten allgegenwärtig. Als Laubkompostierer nimmt er eine wichtige Stelle in den Ökosystemen ein.

In Bezug auf seine Beine ist der "Tausendfüsser" ein Hochstapler: Die meisten Arten aus dieser Tiergruppe besitzen nicht annähernd so viele. Es gibt Arten mit nur 26 Beinen, aber auch eine mit 750 Gliedmassen, was mit der Übertreibung der Namensgebung halbwegs versöhnt. Damit keines der Beine beim Laufen am Boden schleift oder über ein anderes stolpert, führt jedes Beinpaar stets die gleiche bogenartige Bewegung durch. Dadurch entstehen harmonische, nach vorne laufende Wellenberge.

Wichtige Laubfresser

Tausendfüsser meiden das Scheinwerferlicht. Sie leben versteckt unter dem Laub oder im Boden. Dort spielen die Vielfüsser allerdings eine wichtige Rolle als Humusbildner, vor allem in Wäldern. Die Tiere ernähren sich vor allem von feuchtem Laub. So verarbeiten die Tausendfüsser schätzungsweise einen Viertel der jährlich anfallenden Blätter. Besonders beliebt sind Ahorn-, Haselnuss- und Erlenblätter. In tropischen Wäldern sind Tausendfüsser sogar die Hauptzersetzer der Laubschicht. Die Blätter werden regelrecht skelettiert und die zerkauten Teile im Verdauungstrakt zu wertvollem Humus umgewandelt. Dabei helfen im Darm vorhandene Bakterien und andere Mikroorganismen fleissig beim Abbau. Die stabilen und nährstoffreichen Kotballen verbessern die Bodenstruktur und dienen anderen Bodenlebewesen als Nahrungsgrundlage. Durch diesen Verdauungsprozess werden Nährstoffe dosiert freigesetzt und stehen den Bäumen wieder zur Verfügung. Auch in den Gärten und Komposthaufen leisten die Tausendfüsser wertvolle Hilfe auf dem Weg zu einer reichen Gemüseernte.

Friedliche Gesellen

In der Schweiz wurden bisher 137 Arten von Tausendfüssern nachgewiesen; weltweit sind es rund 10'000 Arten. Man findet sie auf allen Kontinenten. Meist besiedeln sie feuchte Lebensräume, weil ihre Vorfahren im Wasser gelebt und viele der heutigen Arten noch nicht vollständig an das Landleben angepasst sind. Im Gegensatz zu ihren entfernten Verwandten, den räuberisch lebenden Hundertfüssern – von denen auch nur die wenigsten 100 Beine haben! –, sind die Tausendfüsser friedliche Gesellen. Um sich vor Parasiten und Bakterien zu schützen, investieren sie mehrere Stunden am Tag in die Körperpflege. Sie haben keine Angriffswaffen, dafür einen harten Panzer. Viele Arten hüllen sich permanent in eine Wolke aus übel riechenden Stoffen, einige können Fressfeinde aus seitlichen Öffnungen mit einem Giftcocktail bespritzen. Hilft auch das nicht, rollen sich die Tiere zusammen. Manche Arten haben diese Technik so perfektioniert, dass sie eine komplett geschlossene Kugel bilden.

Respekt statt Abscheu

Hin und wieder rotten sich die Tiere zu unerklärlichen Massenwanderungen zusammen. Sind Siedlungen betroffen, schaffen sie es in die lokalen Nachrichten. Wer Google nach "Tausendfüsser" abfragt, stösst fast ausschliesslich auf Seiten, in denen von einer "Plage" die Rede ist. Die häufigsten Tipps in Internetforen: Zertreten und vergiften. Es gibt Vorschläge, alle potenziellen Unterschlupfe im Garten zu beseitigen und den Rasen noch häufiger zu schneiden und zu vertikutieren. Angesichts der Leistungen, die die Tiere für funktionsfähige Böden und damit auch für uns Menschen erbringen, ist dies nicht sinnvoll. Weder stechen noch beissen sie, beschädigen weder Häuser noch Möbel und fressen keine lebenden Pflanzen. Sie vermehren sich auch nicht in den Gebäuden, weil es ihnen dort zu trocken ist. Statt Ekel und Abscheu verdienen sie deshalb Respekt und Bewunderung.

Das Jahr 2015 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Böden erklärt. Um die Bedeutung der Bodenlebewesen für den Menschen sichtbar zu machen, stellten das Bundesamt für Umwelt BAFU und das Nationale Forschungsprogramm "Ressource Boden" (NFP 68) jeden Monat einen Organismus vor.

Erstellt: 11.01.2015
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