Technik & Materialien

«Brandheisse» Forschung für vielseitige Textilien

Die Stoffe der Zukunft nehmen Schweiss auf, ohne nass zu werden und schützen Feuerwehrmänner vor Verbrennungen. An der Empa St. Gallen wird an solchen Textilien geforscht. Eine Klasse der Kanti Trogen hat die Labors besucht.

Rund 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erforschen an der Empa in St. Gallen Textilien.

Wir alle kennen funktionelle Textilien: Ein Regenschutz, der uns bei Hundewetter trocken und warm hält. Oder eine Skihose, die auch bei versteckten Steinen im Schnee nicht zerreist. Um solche Funktionen in die Kleider zu bringen, ist das Know-how von Chemikern, Physikern und Materialwissenschaftlern gefragt – zum Beispiel dasjenige der Forscher an der Empa in St. Gallen. Marcel Halbeisen, Projektleiter an der Empa, zeigt uns ein Herzstück seiner Forschung: die Schmelz-Spinnanlage. Damit fertigt er neuartige Textilfasern aus unterschiedlichen Kunststoffen; je nach dem, welche Eigenschaften ein Textil später haben soll. An dieser Maschine entwickelten die Forscher auch einen neuen Kunstrasen, dessen Gräser nach dem Fussballspiel noch aufrecht stehen und bei Stürzen nicht zu schweren Verbrennungen führen. Die Gräser enthalten einen starren Polyamid-Kern, der von einer weichen Polyethylen-Hülle umgeben ist. Halbeisen und seine Kollegen haben damit die Vorteile von zwei unterschiedlichen Kunststoffen in einem Textil kombiniert. In einem anderen Projekt haben die Wissenschaftler mit der Schmelz-Spinnanlage photokatalytisches Titandioxid in eine Textilfaser integriert. Das Titandioxid hat die praktische Eigenschaft, bei Kontakt mit Licht schlechte Gerüche in der Umgebung zu eliminieren. Vorhänge aus einer solchen Kunstfaser könnten einst dazu dienen, die Luft im Wohnzimmer frisch zu halten.

Oberflächenbeschichtung in leuchtender Gaswolke

Empa-Forscher Marcel Halbeisen erklärt den Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Trogen die Plasmatechnologie.

Schweizweit einzigartig ist die Plasma-Beschichtungsanlage. In dieser Kammer werden Gase wie Stickstoff, Wasserstoff oder Methan energetisch aufgeladen, bis sie wie in einer Leuchtstoffröhre leuchten. Die aufgeladenen, reaktiven Gase gehen an der Oberfläche von bestehenden Textilfäden chemische Verbindungen ein. Dadurch kann zum Beispiel ein Polyesterfaden, der normalerweise wasserabstossend ist, so modifiziert werden, dass eine hauchdünne Oberflächenschicht Wasser adsorbieren kann. Damit konnten die Forscher einen Stoff entwickeln, der zwar an der Oberfläche Schweiss aufnimmt, dabei aber nicht nass wird. Für Sportbekleidung wäre dies ein Vorteil: Einerseits schützt das Textil den Körper vor Feuchtigkeit und Kälte. Andererseits wirkt das an der Oberfläche verdunstende Wasser kühlend, sobald der Sportler aktiv ist.

Benjamin, Till und Adrian lassen sich den schwitzenden Roboter SAM (Sweating Agile Mannequin) zeigen.

Um zu prüfen, ob sich zukünftige Träger der Neuentwicklungen wohl fühlen, gibt es an der Empa einen «Schwitzroboter». Die gelbe Puppe mit dutzenden Sensoren am Körper simuliert das Schwitzverhalten des Menschen bei unterschiedlichen Tätigkeiten und je nach Kleidern, die er trägt. Basierend auf diesen Messungen werden die Textilien optimiert. Am Ende werden sie aber immer auch am Menschen getestet. Dafür holen die Wissenschaftler Spitzensportler in ihre Klimakammer. Dort müssen die Athleten zum Beispiel auf einem Laufband bei unterschiedlichen Wetterbedingungen laufen, während die Forscher Transpiration, Körpertemperatur und die chemische Zusammensetzung des Atems messen.

Flammenwerfer für Feuertests

Patrick betrachtet «Henry», die schwarze Metallpuppe, die den Flammenwerfern trotzt.

Unweit der Plasma-Beschichtungsanlage steht der Feuer-Testraum, der auch in einem James-Bond- Film vorkommen könnte. Dort treffen wir auf «Henry », wie die schwarze Metallpuppe von den Forschern genannt wird. Regelmässig wird Henry mit zwölf Flammenwerfern beschossen, um dabei Schutzkleidung für Feuerwehrleute zu testen. Das sei ein «brandheisses» Forschungsgebiet versichert Halbeisen, denn oft seien Schutzanzüge zwar brandsicher, doch können sie die enorme Hitze, der sie bei einem Grossbrand ausgesetzt sind, nicht richtig verteilen und ableiten. Mit der Folge, dass Feuerwehrleute Hautverbrennungen davon tragen.

Die Forscher messen bei den Puppen deshalb genau, wo im Schutzanzug wie viel Hitze entsteht. Mit unterschiedlichen Textilmaterialien versuchen sie diese so zu steuern, dass sie für den Träger ungefährlich wird. Halbeisens Kollegen forschen derzeit auch an Anzügen mit integrierten Sensoren. Diese könnten Feuerwehrleute warnen, sobald das Textil die Hitze nicht mehr abführen kann und Verbrennungen drohen. Doch das ist selbst für die Wissenschaftler in St. Gallen momentan noch Zukunftsmusik.

 

Text: SATW / Samuel Schläfli

Bilder: SATW / Franz Meier
Quelle: Technoscope 2/11: Funktionelle Textilien

Technoscope ist das Technikmagazin der SATW für Jugendliche

 

Erstellt: 04.02.2013

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